So finden Sie den richtigen Therapeuten
…behauptet die Zeitschrift „Stern“ im Heft 51/ 2006
(Der Artikel wurde von mir ergänzt und nach meinem Dafürhalten korrigiert.)
Wer hat was gelernt?
Psychotherapien werden von Anbietern mit unterschiedlicher Ausbildung durchgeführt, das ist für viele verwirrend. Denn da gibt es
Ärztliche Psychotherapeuten, die, nach dem 6jährigen Medizinstudium, eine mindestens 5jährige Ausbildungszeit zum Facharzt in Krankenhäusern und Praxen absolviert haben. Alle diese Fachärzte, die den Zusatztitel „Psychotherapie“ führen, haben neben oder nach der Facharztausbildung noch eine mindestens 3jährige Psychotherapieausbildung mit Theorie, Selbsterfahrung und Arbeiten unter Supervision geleistet.
Seit 2003 gibt es den Zusatztitel „fachgebundene Psychotherapie“. Dazu mehr im Artikel „ärztliche und psychologische Psychotherapie„, den Sie im Glossar meiner Internetseite finden.
Schwerpunkt in der Ausbildung der Fachärzte für Psychotherapeutische Medizin sind körperliche Krankheiten mit psychischen Ursachen;
bei den Fachärzten für Psychiatrie liegt der Schwerpunkt eher bei primär psychischen Erkrankungen.
Nur Ärzte sind berechtigt, bei Erkrankungen – auch bei psychischen – Medikamente zu verschreiben; insbesondere die Psychiater (FA f Psychiatrie) tun dies häufig, neben eher kurzzeitigen Gesprächen, während die psychotherapeutisch tätigen Ärzte das Wort und damit die Arzt-Patient-Beziehung als Heilmittel wirken lassen. Dafür haben sie in einer Therapiestunde 50 Min. Zeit mit dem Patienten.
Psychologische Psychotherapeuten (für Erwachsene) müssen zusätzlich zu ihrem 4jährigen Psychologiestudium an einer Hochschule eine umfangreiche Weiterbildung zum Psychotherapeuten vorweisen können, um ihre Approbation (lat. = staatliche Zulassung) zu bekommen.
Um von den Krankenkassen zugelassen zu werden, muss ein solcher Diplompsychologe (der Begriff „Psychologe“ an sich ist in Deutschland nicht geschützt und kann von jedem verwendet werden), zusätzlich eine Psychotherapieausbildung von mindestens 4200 Stunden vorweisen, darunter ein praktisches Jahr in der Psychiatrie; und er muss mindestens 6 Fälle unter Supervision behandelt haben.
Darüber hinaus werden Psychotherapien von Heilpraktikern, mit oder ohne ! Zusatzausbildung, angeboten.
Welches Wissen zum angebotenen Fachgebiet ein Heilpraktiker hat, obliegt ihm selbst. In der Prüfung zum HP wird vorwiegend geklärt, ob der Heilpraktiker weiß, was er nicht behandeln darf.
Des weiteren gibt es Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten, deren Behandlung von den Krankenkassen übernommen wird, wenn es sich um eine definierte Erkrankung handelt. Sie haben ganz unterschiedliche Studiengänge, wie Medizin, Psychologie, Pädagogik, Sozialarbeit, abgeschlossen und ebenfalls eine spezielle Psychotherapieausbildung für Kinder und Jugendliche.
In einer öffentlichen Beratungsstelle (z.B. speziell für Frauen oder für Suchtkranke) können Sie – meist mit Sozialarbeitern oder Pädagogen – besprechen, ob eine Therapie das Richtige für Sie ist und welche Wege zur Lösung Ihres Problems noch zur Verfügung stehen. Manche Beratungsstellen können Ihnen auch gleich Adressen von Therapeuten nennen.
Listen der zugelassen Psychotherapeuten stellen Ihnen Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigung zur Verfügung.
Wen bezahlt die Krankenkasse?
Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen eine Psychotherapie nur bei approbierten ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten bzw. approbierten Kinder- und Jugendlichentherapeuten; die privaten Kassen zahlen teilweise auch die Behandlung von Heilpraktikern; allerdings nur wenn es sich um eine anerkannte Erkrankung im Sinne der Psychotherapie-Richtlinien handelt.
Die Bezeichnung „Psychotherapeut“ ist gesetzlich geschützt; d.h. nur derjenige darf sich so nennen, der eine Approbation besitzt, also über die staatliche Erlaubnis verfügt, diesen Heilberuf auszuüben.
Folgende Therapien bezahlt die gesetzliche Krankenkasse:
Psychoanalyse
Sie sieht in psychischen Beschwerden einen Ausdruck unbewusster Konflikte, die durch Fehlentwicklungen oder traumatische Erfahrungen – insbes. während der Kindheit – verursacht wurden. Um diese Zusammenhänge bewusst zu machen und schließlich zu überwinden, arbeitet die Psychoanalyse mit Regression ( = den unbewussten oder bewussten Rückgriff auf kindliche Verhaltensmuster). Bei der klassischen Psychoanalyse liegt der Patient auf der Couch, der Therapeut sitzt dahinter. Mittlerweile findet die Therapie häufig auch im Sitzen statt. Die Kasse bezahlt bis zu 300 Stunden bei 2 – 5 Sitzungen pro Woche.
tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
Sie konzentriert sich auf die Bewältigung eines akuten Konflikts. Dabei wird, zum Verständnis der Zusammenhänge, auch auf die biographischen Erfahrungen Bezug genommen. Aber, obwohl von demselben Grundannahmen wie die Psychoanalyse ausgehend, werden hier regressive Tendenzen begrenzt und eher lösungsorientiert gearbeitet. Die Therapie findet in der Regel 1mal pro Woche und im Sitzen statt. Kassenleistung in der Regel 25 bis 50 Stunden; Höchstdauer 100 Stunden. Viele tiefenpsychologisch zugelassene Therapeuten haben Ausbildungen in zusätzlichen Verfahren, wie Gesprächs-, Gestalt-, systemischer Therapie oder Familientherapie und anderen hilfreichen Methoden, wie Entspannungsverfahren, die z.T. in die Behandlung einfließen können.
Verhaltenstherapie
Sie umfasst verschiedene Therapieformen. Alle gehen davon aus, dass ein problematisches Verhalten oder Erleben durch Nachahmung von Vorbildern erlernt und über Bestrafung und Belohnung verstärkt werden kann. Zu Beginn der Behandlung wird zuerst untersucht, unter welchen Bedingungen das Problem, etwa eine Panikattacke, aktuell auftritt. Anschließend soll der Patient neue, positive Verhaltensweisen finden und einüben, z.B. indem er seine Liste der leichten bis zur schwierigsten Herausforderung angeht. Dabei arbeiteten die Verhaltenstherapeuten mit Entspannungsverfahren zum Abbau von Angst und mit Belohnungen zur Verstärkung erwünschten Verhaltens. Bezahlt werden von der Kasse bis zu 80 Stunden.
Das Prozedere – und worauf Sie sonst noch achten sollten
Eine Liste der Behandler vor Ort können Sie bei Ihrer Krankenkasse, bei der Psychotherapeutenkammer und der Kassenärztlichen Vereinigung anfordern. Damit können Sie Therapeuten/Therapeutin gezielt nach Stadtteil, Therapieform und auch Sprache auswählen. Persönlichere Informationsquellen sind Freunde, Angehörige, Bekannte und natürlich der Hausarzt – von dem Sie keine Überweisung zur Psychotherapie mehr brauchen.
Empfehlenswert ist es, sich vor dem ersten Anruf beim Therapeuten Notizen darüber zu machen, was Sie wissen möchten – etwa, nach welcher Methode er arbeitet; ob er eine Kassenzulassung hat; wie lange die Wartezeit ist.
In jedem Fall sollten Sie selbst anrufen, da so auch der Therapeut / die Therapeutin einen ersten Eindruck vom Ihnen gewinnen kann; schließlich wollen Sie ja Zusammenarbeiten. Zudem spricht das für Ihre Eigenmotivation.
Achten Sie beim ersten Gespräch auf Ihr „Bauchgefühl“:
• Ist die Stimme sympathisch?
• Fühlen Sie sich respektvoll behandelt und verstanden?
Nur dann sollten Sie ein persönliches Treffen vereinbaren.
Beim Erstgespräch in der Praxis müssen Sie nicht gleich alles erzählen; umreißen Sie Ihr Thema – nur dann kann sich Ihr Behandler ein Bild von Ihrem Problem manchen und entscheiden, ob er für dieses Thema kompetent ist. Zudem muss er während der probatorischen Sitzungen (also der „Probezeit“, in der beide Seiten sich entscheiden können, ob sie miteinander arbeiten wollen) eine Diagnose stellen, um zu sehen, ob Ihr Thema zu dem, in den Psychotherapie-Richtlinien definierten Kanon von Krankheiten zählt, deren Behandlungskosten von den Krankenkassen übernommen werden.
Sagen Sie dem Therapeuten auch, was Sie sich von der Therapie wünschen, und welche Bedenken Sie vielleicht haben.
Insbesondere bei der tiefenpsychologisch fundierten und verhaltenstherapeutischen Arbeit, die sich ja auf einen speziellen Fokus bezieht, ist es sinnig, sich klar definierte, erreichbare, konkrete Ziele zu überlegen.
Bevor Sie einen zweiten Termin absprechen, kann es ratsam sein, die Eindrücke zunächst daheim auf sich wirken zu lassen. Erst einmal eine Nacht darüber schlafen heißt, ihrem Unbewussten Zeit gegen, eine gefühlsmäßige Entscheidung zu fällen, ob Sie wirklich bereit sind, hier zu vertrauen und eine Arbeitsbeziehung aufbauen wollen.
Theoretisch müssen Sie erst nach 5 Probesitzungen entscheiden, ob Sie bei einem Therapeuten bleiben möchten. Diese probatorischen Stunden werden, außer wenn es sich klar um ausgeschlossene Problemstellungen handelt, von den Kassen bezahlt – bei so vielen Therapeuten wie es Ihnen notwendig erscheint, um einen passenden Behandler zu finden.
Ehe Sie sich auf jemanden festlegen, sollten Sie folgende Fragen mit Ja beantworten können:
• Ist mir die Therapeutin / der Therapeuten sympathisch?
• Fühle ich mich von der Therapeutin / dem Therapeuten in meinem Leid ernst genommen?
• Kann ich alles sagen, ohne zurechtgewiesen zu werden?
• Stimmen meine Behandlungsziele mit denen der Therapeutin / des Therapeuten überein?
• Hat die Therapeutin / der Therapeut mir genügend Freiraum gegeben, mich auch gegen die Therapie zu entscheiden?
• Lässt sich die Therapie ohne zu große Mühe in meinen Alltag integrieren?
Verschiedene Untersuchungen zeigten, dass, methodenunabhängig, der wesentlichste Faktur für das Gelingen einer psychotherapeutischen Behandlung die Beziehung zwischen Patient und Behandler ist. Lassen Sie sich also nicht auf falsche Kompromisse ein. Sie vergeuden damit nur, wie eigentlich immer im Leben, wichtige Ressourcen, Zeit und Geld.
Vor dem Beginn der eigentlichen Psychotherapie muss bei der Krankenkasse ein Antrag auf Kostenübernahme gestellt werden. Erst nachdem der Dienstleister Krankenkasse eine bestimmte Anzahl von Einzel- oder Gruppenpsychotherapiestunden genehmigt hat, kann die Behandlung beginnen.
Denn Psychotherapie ist (obwohl längst erwiesen ist, dass es keine körperliche ohne seelische und keine psychische ohne somatische Erkrankungen gibt – es ist ja der gleiche Körper – immer noch) keine selbstverständliche Behandlungsmethode, die, wie jede andere zugelassene Medizin auch, vom Arzt, passend zur gestellten Diagnose, verordnet werden kann. Das Seelische, das nicht so greifbare, macht doch immer noch vielen Unbehagen und soll daher, „aus Sicherheitsgründen“, kontrolliert werden.
Leider gibt es durch die in den letzten Jahren rasant wachsende Zahl psychischer Erkrankungen wie auch durch Budgets und Fallzahlbeschränkungen gesetzlich „verordnete“ lange Wartezeiten, bis eine Behandlung der psychischen Störungen beginnen kann. Denn wenn eine Behandlung genehmigt wurde, ist z.B. 1 Std. pro Woche für das nächsten 1/2 bis 1 Jahr durch diesen Patienten belegt. Erst danach ist eine Neubesetzung dieses Therapieplatzes möglich.
Es liegt aber auch in irrationalen, historisch bedingten Glaubensvorstellungen begründet, dass psychisch Kranke in unserer Gesellschaft stigmatisiert und diskriminiert werden – und das, obwohl wissenschaftlich längst gesichert ist, dass sich Patienten nach einer Psychotherapie – in der Regel – langfristig einer deutlich besseren Lebensqualität und einer allgemein besseren Gesundheit erfreuen.
Wenn dennoch in der Therapie etwas schief läuft,
lesen Sie bitte unter Beschwerdemöglichkeiten oder hilfreiche Telefonnummern nach, wie Sie Hilfe bekommen können.
Ich wünsche Ihnen, dass so etwas nie nötig sein muss; aber andererseits auch, dass Sie stark genug sind, wenn ein Therapeut sich nicht korrekt verhält, die mögliche Hilfe auch in Anspruch zu nehmen.
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