Systemische Gedanken
zum Nachdenken…
Als System (gr. = das Gebilde, Zusammengestellte, Verbundene) ist jede unserer Zellen zu verstehen, die Organe und Organsysteme, unser Körper, wie auch seine Weiterungen als Paar, Familie, in einer Firma oder im Ökosystem. Allen gemeinsam sind folgende 8 Merkmale:
Alle Systeme haben eine Grenze, die Zugehörigkeit (wer/was gehört dazu, wer nicht) definiert und zugleich Austausch mit der Umwelt ermöglicht. Dabei ist das Handeln eines jeden Systems ein zielgerichtetes (= equifinal) Streben nach Homöostase, das durch seine Struktur determiniert (= festgelegt) und damit in seinen Möglichkeiten begrenzt wird. Seine fließende Stabilität erreicht das System über Feedback = Rückmelde-Schleifen in Selbstregulation, also als sich selbst organisierender Prozess.
Als Menschen können wir die Realität nie „an sich“, sondern nur als unsere ureigene subjektive Wahrnehmung der Realität erkennen; d.h. jeder Mensch konstruiert seine eigene Wirklichkeit; d. h. wir leben jeder in seiner ganz persönlichen Teilansicht von Realität.
Dieses Faktum (lat. = Tatsache) bleibt der Alltagserfahrung häufig verborgen, da die Prozesse unbewusst ablaufen und viele Menschen die Welt auf ähnliche Weise interpretieren.
Beispielhaft folgende beiden Bilder, 1: eine Gruppe sitzt im Kreis: entsprechend hat jeder Teilnehmer einen anderen optischen Hintergrund für seine Wahrnehmung und es ergeben sich, allein aus der Position zueinander, unterschiedliche Spannungslinien; hinzu kommen unterschiedliche Interessen, Motivationen und Bedürfnisse, usw. – Da kann es kein gemeinsames, eindeutiges, objektives (= unvoreingenommene, nicht von Gefühlen und Vorurteilen bestimmte, tatsächliche, unabhängig von einem Subjekt und dessen Bewusstsein existierende) Wahrnehmen einer einzigen Wahrheit über das was im Kreis geschieht geben.
Bild 2:
Jedes Erleben ist Ergebnis und Ausdruck einer Realitätskonstruktion; wobei Erleben immer dort entsteht, wohin die Aufmerksamkeit gerichtet wird
und Wachstum bzw. Lernen sich dort entwickelt, wohin wir unsere Energie geben.
Jeder kann also, schon aufgrund seiner Position im Raum, seiner Haltung und Einstellung nur bestimmte Ausschnitte der Realität wahrnehmen; zudem bestimmen unser Interesse und die innere Bedürfnislage, der Zustand im System, auf was wir uns fokussieren und was wir ausblenden, um uns nicht mit „unnötigen“ Informationen zu überfordern und zu übelasten. Schon auf Mittelhirnebene, also unterhalb der Bewusstseinsschwelle, wird vorsortiert, welche Informationen zum Großhirn und damit zum Bewusstsein durchgelassen werden.
So ist jede persönliche Wirklichkeit letztlich rein gedanklicher bzw. theoretischer Natur, also ein nicht empirisch (gr. = durch Erfahrung) erkennbarer Sachverhalt. Das bedeutet nicht, dass der betreffende Sachverhalt nicht „existiert“, sondern nur, dass er lediglich aus anderen, messbaren Sachverhalten erschlossen werden kann.
Im Alltag funktionieren Modelle der Realität meist hinreichend gut, wenn die innere „Landkarte“ und das daraus entwickelte „Drehbuch“ halbwegs mit der äußeren Realität kompatibel sind (= zusammen passen). Wenn nicht, zeigen sich die Reibungspunkte als Symptome oder Konflikte.
Jedes Symptom / jeder Konflikt ist, so gesehen, als freundliches Feedback des Systems zu verstehen, dass die Balance des Systems in Gefahr oder verloren ist. Wie ein Weckruf fordern sie Aufmerksamkeit und eine Reaktion – wie der Signalton vom Sicherheitsgurt im Auto. Denn hinter jedem Symptom / Konflikt steckt ein unerfülltes Bedürfnis. Erst wenn das Bedürfnis erkannt und befriedigt wurde, kommt das System zur Ruhe; weil das Fließgleichgewicht (Homöostase) dann wieder in seinen Toleranzbereich zurückgekehrt ist.
Erleben von Mangel, ebenso von Überflutung (z.B. mit Emotionen), bedeuten für die Aufrechterhaltung von Homöostase Gefahr. Wir reagieren darauf gestresst.
Das ist einerseits wünschenswert, denn dadurch steht mehr Energie für Anpassungsleistungen zur Verfügung. Andererseits gilt: je größer das Stresslevel oder, wenn länger andauernd, um so mehr verabschieden sich steuernde, kreative, humane, ethische Großhirnfunktionen und umso mehr übernehmen archaische (= vorzeitliche) Überlebensreflexe die Handlungssteuerung – erst Flucht (später Vermeidung), dann Aggression und im Extrem, bei Ausweglosigkeit und Ohnmachtsgefühlen: Erstarrung.
Daher ist es in Konfliktlagen so wichtig, sich Raum und Zeit zu verschaffen, in denen man „runter kommen“ kann und sich entspannt – denn ohne das sind nur noch irrationale (lat. = unvernünftig) Reaktionen möglich.
Sich selbst beruhigen können, ist ein wichtiges Merkmal persönlicher Reife, denn häufig sollen Beziehungspartner dies tun und sind damit selbstverständlich hoffnungslos überfordert; und, es führt im Laufe der Zeit zu neuen, noch schwieriger zu lösenden, Verwicklungsherden.
Reflexhaft wollen wir das Unangenehme weg haben. Daher suchen wir meist nach schnellen Lösungen und achten zu wenig darauf, was das System wirklich braucht. In der Folge von Scheinlösungen entstehen dann andere Störungsbilder / Symptomverschiebungen oder neue Konfliktherde oder funktionelle Beschwerden entwickeln sich zu manifesten Schäden.
Hat man, seine Vernunft noch rechtzeitig gebrauchend oder durch schmerzhafte Erfahrungen „beflügelt“, seine Aufmerksamkeit auf das Symptom oder den Konflikt gerichtet, um herauszufinden, was das zugrundeliegende Begehren ist, entdeckt man häufig (scheinbar) widersprüchliche Strebungen oder einen Loyalitätskonflikt: „ich kann doch meine Arbeit nicht aufgeben, ich brauche doch das Geld“ oder, „wenn ich tue, was ich will und brauche, dann muss vielleicht ein anderer darunter leiden“ oder, oder.
Dennoch lassen sich meist win-win-Lösungen finden, also solche, die beiden / allen Vorteile bringen und selbst differente Bedürfnisse stillen.
Bei solcher Lösungssuche gilt es erst einmal zuzulassen, mit den Möglichkeiten zu spielen (z.B. Gegenteile zu beleuchten, zu pendeln, neue Positionen auszuprobieren) und zu phantasieren, welches Verhalten zu welchen Ergebnissen führen könnte, oder, mit anderen zu sprechen, welche Lösungsmöglichkeiten die sehen und denken können.
Schweizer Käse (eine wahre Geschichte):
Eine Kollegin wurde vom Jugendamt beauftragt, herauszufinden, warum ein 9jähriger Junge alle Maßnahmen ablehnte. Die Kollegin sagte ihm ihren Auftrag und bat ihn, ob er ihr das beantworten könne. Der Junge sagte: „Stellen Sie sich vor, ich sei ein Schweizer Käse. Alle bisherigen Behandler interessierten sich immer nur für die Löcher. Dadurch wurden die Löcher immer mehr; das will ich nicht mehr.“ „OK, das beantwortet meine Frage. Das war´s dann für mich,“ resümierte die Kollegin; um dann, Columbo-mäßig, doch noch, von der Tür aus, hinterher zu schicken: „Darf ich Dir noch eine Frage stellen?“ Der Junge war einverstanden. Kollegin: „Was hättest Du denn gerne?“ Junge: „Ich hätte gerne mehr Käse.“ Kollegin: „Vielen Dank.“
(Die Metapher Löcher kann verstanden werden als: Defizite und Abwertungen von uns und anderen; Käse wären dann Fähigkeiten und Ressourcen = Kraftquellen)
Damit hat der Junge ein typisches Problem unseres Alltagsverhaltens sehr gut beschrieben: die Problemtrance. (Das ist entweder ein „schläfriger Zustand“ oder ein höchst konzentrierter Bewusstseinszustand, bei dem man intensiv mit nur einer Thematik beschäftigt ist.) Noch einmal in Erinnerung gerufen: Erleben entsteht dort wo die Aufmerksamkeit ist.
Auch das System Gehirn funktioniert selbstreguliert, d.h., so weiß man inzwischen, es gibt im Gehirn selbst keine höhere, ordnende Instanz, die intern klären kann, was zu tun ist oder gar richtig. Es wird nicht einmal klar, ob eine Erregung der neuronalen Netzwerke von Außen über die Sinnesorgane kommt oder von Innen stammt, aus anderen assoziativ verknüpften Hirnzentren, oder, ob eine Thematik zur Realität gehört oder in unserer Phantasiewelt. Dem Strom aus der Steckdose lässt sich auch nicht ansehen, wo und wie er produziert wurde.
Aus dem Traumerleben kennen viele, wie real sich unsere innere Bilderwelt anfühlen kann. Vom Träumen wissen Sie auch, dass der Körper reagiert, als ob die Bilder wahr wären. Das tut er selbstverständlich auch im Wachzustand! Reagiert die entspannte Muskulatur des Schläfers im Traum nicht, sind wir irritiert und deuten das in der Regel als Alptraum.
Immer da, wo wir unter Druck, im Stress, aufgeregt, angespannt oder mit negativen Erwartungen an etwas heran gehen, sind wir in Gefahr, in eine Problemtrance zu fallen: denn dann steht uns, aufgrund der eingeschränkten Zugriffsmöglichkeiten auf unser Großhirn und Denken nur ein „Tunnelblick“ zur Verfügung (das Blut ist ja in die Muskulatur umverteilt, um wie vor tausenden von Jahren unser Leben durch Weglaufen oder Kämpfen zu retten). Das eingeschränkte Blickfeld ist dann nur / krampfhaft auf eine einzige Thematik oder Lösung gerichtet – und die vielen Lösungsmöglichkeiten / Wirklichkeiten, die daneben möglich wären, können nicht mehr gesehen werden. Je nachdem, wie lang wir den Tunnel phantasieren, ist am Ende des Tunnels ein Licht zu sehen; es kann dort aber auch sehr dunkel und hoffnungslos sein.
Lösungsorientiert Arbeiten meint: von der Problemhaltung zum Lösungsverhalten kommen.
Es wird nicht, wie üblich (vorrangig) gefragt, „weshalb ist das so?“
(Diese Konzeptionsperspektive setzt voraus, dass sich unser Erleben aus dem speist, was wir in der Vergangenheit erlebt haben. Natürlich haben wir in der Vergangenheit, viele Lösungsmuster entwickelt, die zu damaligen Problemen passten und die heute bei ähnlichen Problemstellungen nützlich sein können. Damals haben wir auch Einstellungen und die Verhaltensmuster gelernt, die bestimmte Blickwinkel nahe legen; dennoch determinieren (lat. = bestimmen) diese nicht, was wir heute tun. Sie bieten lediglich vorgefertigte, schnell verfügbare Reaktionsmuster, die wir heute in ähnlicher Situation aufrufen können, nicht aber verwenden müssen.)
sondern: „wofür ist das so?“ = „was ist das Anliegen / Ziel des Fragenden?“
(Unser Gehirn denkt immer im Jetzt; d.h. Erleben entsteht immer neu, 1000fach als mögliche Realitäten. Wir suchen uns ständig aus den vorhandenen Möglichkeiten an Reaktionsweisen die aus, die gerade zum Zustand und zur Bedürfnislage des Körpers / der Beziehung passen. Damit ist klar: Die Vergangenheit bestimmt nie die Wirkung in der Gegenwart. Im Gegenteil: unsere Gestaltung der Gegenwart ist verantwortlich für unsere Vorstellung von der Vergangenheit. Unsere Phantasie über das, was war, ist die Auswahl von Aspekten und Teilansichten, die wir zur Sicherung unseres Selbstverständnisses im Heute gut brauchen können. Dabei wird die Vorstellung von uns und den Ereignissen, die wir erlebt haben, immer wieder kräftig retuschiert (franz. = nachgebessert). Ebenso ist unsere Zukunftsvorstellung ein Produkt unserer aktuellen Phantasie und Hochrechnungen. Denn einsehen können wir das Kommende jetzt nicht; wir müssen warten, bis es Gegenwart wird und dann sehen, wie gut oder schlecht unsere Vorhersagen waren. Dennoch ist es nicht dumm, zu planen – im Gegenteil; es ist aber Unsinn, Sicherheit durch Planung und Kontrolle zu erwarten.)
Lösungsorientiert Arbeiten heißt nicht, dass niemand mehr seine Problemsicht oder seinen Leidensweg besprechen sollte – nach dem Motto: „Problemgespräche erschaffen Probleme. Nur Lösungsgespräche erschaffen Lösungen.“
Ein Problemgespräch an sich ist meist schon die Anerkennung eines Bedürfnisses.
Zudem ist die Darstellung der eigenen Weltanschauung oft eine wichtige Entlastung für das eigene System und häufig gleichzeitig Brücke zum Zuhörer. Dies nicht anzunehmen und dem keine Wertschätzung entgegenzubringen, wirkt herabwürdigend.
Jede Entwürdigung belastet und ist die Induktion (lat. = Einführung) einer Stressreaktion.
Zu bedenken ist, dass – wie auch immer geartet – emotional geladenes Erleben neuronale Netzwerke im Gehirn erzeugt und dass Wiederholungen zur Stabilisierung dieser Netzwerke, also zu Lernen, führen.
Es macht also Sinn, zu prüfen, was wir wirklich wieder und wieder tun und lernen wollen.
Nicht alles, eigentlich das Wenigste, was wir tun unterliegt allerdings unserem Wollen. Meist sind wir von unbewussten Strebungen gesteuert, die auf einen Gleichgewichtszustand hinzielen. Gelegentlich sind wir dabei so von früheren Erfahrungen und Reaktionsmustern gefangen genommen, dass getriggerte (= Impuls, der einen Vorgang auslöst), belastende Ereignisse rekapituliert (= etwas noch einmal in kürzerer Form zusammenfassen und wiederholen) oder reinszeniert (= nochmalige öffentliche Zurschaustellung) werden.
Hier gilt es, sobald die Wiederholungen bewusst werden, für eine längere Weile die Aufmerksamkeit auf dieses Geschehen und in eine erwünschte Richtung zu lenken.
Diese bewusste Selbstregulierung erfordert viel Disziplin (lat. = Lehre, Zucht, Schule) und, vermutlich viele Anfänge und Wiederholungen. Von Nichts kommt Nichts!
Wenn wir uns für Lösungen interessieren und uns optimistisch ausrichten (vernünftiger, als pessimistisches Problembewusstsein zu fördern), können folgende Frage hilfreich sein:
„Wozu will ich den Raum hier / mein Leben / meine aktuelle Symptomatik / meine Ressourcen / meine Ziele nutzen?“
„Was hätte ich gern?“ (Formulieren Sie positiv, konkret, erreichbar!)
„Wie ist das zu erreichen?“
„Gab es hilfreiche Erlebnisse jetzt schon?“
„Welche Schritte will ich da ganz konkret tun?“ „Bis zum … werde ich … getan haben!“
„Bin ich bereit, den Preis dafür zu zahlen?“
„Ist das, was dann kommt, wirklich erstrebenswert?“
Was auch immer wir als „einzige“, weil unsere, Wirklichkeit (neben anderen Wirklichkeiten und Möglichkeiten) erleben, uns als einzigartige Vergangenheit suggerieren (= jemanden verdeckt beeinflussen), was immer unsere Phantasie uns als Bedrohung oder als hoffungsvoll für die Zukunft vorschlägt oder hochgerechnet, wir können uns bewusst machen, dass diese innere Bilderwelt / Überzeugung nur einen Teilausschnitt der Realität berücksichtigt.
Würden wir andere Aspekte oder gar „das Ganze“ der Realität für unsere Theoriebildung und die Modelle von der Realität nutzen, kämen wir sicher zu ganz andern Ergebnissen.
Aus dieser Perspektive betrachtet, sind wir frei, zu wählen, was wahr ist.
Wahr, also systemkompatibel (vom lat. compatior = Mitleid haben, zusammen funktionieren), muss es allerdings sein, sonst landen wir im illusionären (= schwärmerisch, verträumt, trügerisch, unrealistisch, utopisch, versponnen, verstiegen, weltfremd, wirklichkeitsfern).
Erst wenn ich eine weitere Möglichkeit sehe, eröffnet sich mir die Möglichkeit der Wahl! Solange die Dinge eindeutig erscheinen, gibt es keine Wahl (es ist also Unsinn, sich dafür zu schelten oder sich darüber aufzuregen); erst ab zweideutig oder mehrdeutig kann ich mich entscheiden (und auch hier ist es grober Unfug, im Nachhinein Besserwisserei zu üben. Alle Entscheidungen sind richtig, zumindest folgerichtig, da wir ja von einem begrenzten Überblick über die Daten zu der Zeit ausgehen mussten. Später weiß man mehr, nicht früher!)
Die 80-zu-20-Regel von Vilfredo Pareto besagt, dass 80 % der Ergebnisse in 20 % der Gesamtzeit eines Projekts erreicht werden. Die verbleibenden 20 % der Ergebnisse benötigen 80 % der Gesamtzeit und verursachen die meiste Arbeit.
Dieses Paretoprinzip, im Sinne von z.B. 80 % Vertrauen und 20 % Vorsicht anzuwenden, erscheint mir sehr sinnvoll, um weder blinde Vertrauensseligkeit entstehen zu lassen, noch durch übertriebenes Misstrauen und Kontrolle Lebensqualität zu vernichten.
„Wenn ich also so … denke, wie wirkt sich das dann auf mein Leben aus?“ Es lohnt also die Möglichkeiten auszuloten, zu pendeln, zu skalieren, zu variieren, auszuprobieren und sich zu fragen: „Was erscheint mir besser / wünschenswerter?“ Dann lassen sich Auswirkungen systematisch prüfen: „Wie wäre es, wen ich das wirklich erleben würde?“
Für unsere subjektive (= von persönlichen Gefühlen, Meinungen, Vorurteilen beeinflusste) Beschreibung der Realität, die dann als unsere persönliche Wirklichkeit wirksam wird, ist jede Wortwahl wichtig. Sie schafft ein Priming (engl. = Bahnung für das Erleben).
Auch eine Verneinung im Satz wirkt in Richtung des „Tuwortes“; denn „Nicht“ kann unser Gehirn nicht denken. Wir können nur positiv (= Befundlage, die als Nachweis gewertet wird) denken; etwas was nicht da ist, können wir uns nicht vorstellen. Und für positive Formulierungen, die in ein „Komma, aber …“ münden, gilt: nur das nach dem Komma gesagte wird wirksam, der erste Teil ist nur eine „Rauchbombe“, die den Blick auf diesen Tatbestand verschleiern soll.
Immer gilt allerdings, entgegen immer wieder gehegter Hoffnungen, die Bedeutung einer Botschaft wird vom Empfänger bestimmt. (Erleben entsteht dort, wo die Aufmerksamkeit ist.)
Bei einer systemischen Betrachtung all der Beziehungslinien, wer was mit wem wie, warum und wozu, zu tun hat, gelten leidvolle Prozesse als kompetente Rückkopplungen im System, die wichtig Informationen über unerfüllte Bedürfnisse enthalten, die aufgeklärt werden sollten. Leid meldet, dass wir dieses Verhalten nicht gut brauchen können.
Bei der häufig vorkommenden Selbstablehnung z.B. hilft es, zu sehen: da ist immer ein Teil, der leidet und ein anderer, der „draufhaut“. Sind diese Anteile differenziert (lat. = unterscheiden), lässt sich klären, wer was tut, wer wie helfen kann und was gefördert werden soll.
Ebenso ist Angst (mal abgesehen von der Realangst durch eine echte Bedrohung im Hier und Jetzt) eine Rückmeldung, dass die Phantasien vom Jetzt oder der phantasierten Zukunft im Augenblick ein nur geringes Lösungspotential aufweisen und deutlich verbesserungs-bedürftig sind. Angst hat man immer vor dem Jetzt oder der Zukunft, also vor einer Phantasie. Vor der Vergangenheit kann man sich ja nicht mehr fürchten, sie ist vorbei; und: noch nie hat sich Vergangenheit wiederholt – und wenn, war da ein Täter im Jetzt.
Zum Ende noch einmal die Frage: „Wie können alle profitieren?“ (= win-win-Situaiton)
Lassen sich (mindestens) zwei Erlebensmodelle entwickeln, können Schnittmengen gefunden, oder, die Positionen dialektisch (gr. = Kunst der Gesprächsführung; Diskurs, in dem einer These als bestehende Auffassung durch Aufzeigen von Problemen und Widersprüchen eine Antithese gegenübergestellt wird, woraus dann eine Lösung oder ein neues Verständnis als Synthese entwickelt wird.) betrachtet werden, oder, aus einer dritten Beobachterposition heraus verglichen werden. Oft ist es eine Frage der Darstellung, ob Positionen unvereinbar erscheinen oder nicht: z.B. sind die Enden einer Gerade bei linearer Darstellung extrem weit voneinander entfernt. Wird die Linie allerdings zirkulär dargestellt, liegen die beiden Enden im Kreis ganz dicht beisammen.
Auch scheint es sinnvoll, Motive, den Konflikt, die extremen Positionen genau auszuleuchten, zu hinterfragen und zu klären; d.h. das eigentliche Thema erstellen: Hat z.B. jemand Durst und fragt nach etwas zu trinken, kann das allerlei bedeuten: der Eine sucht Wasser oder etwas kühlendes, der Alkoholiker einen Drink, ein Anderer braucht etwas Warmes oder Süßes, Einer lechzt nach Zuwendung usw. Eine vorschnelle Reaktion kann leicht in die Irre führen.
Bei Konflikten ist zu unterscheiden: handelt es sich um
- Missverständnisse?
- differente Werte oder Ziele?
- Übertragungen aus anderen Zusammenhängen?
Dies zu klären ist bedeutsam, da alle unterschiedliche Lösungswege haben:
- Missverständnisse bedürfen der Klärung, wer was sagte, hörte, verstanden hat und meinte und mit welchen Kontexten die Begriffe unterlegt sind.
- Bei unterschiedliche Werten oder Zielen gilt es, nach gemeinsamer Schnittmenge, Kompromissen oder Ausgleichsregelungen zu suchen.
- Gehört etwas in eine andere Zeit, zu einem anderen Ort, einer anderen Person, bedarf das der Aufklärung und Mitteilung.