Körper-Psychotherapie SKAN

Wilh. Reich´s Vegetotherapie

SKAN ist ein Begriff aus der Sprache der nordamerikanischen Lakota-Indianer und bedeutet: „das was sich bewegt“.
Verwandte Begriffe aus anderen Kulturen sind z.B. „Prana“ (Ind. = Atem) , „Chi“ (Chin. = Energie), „Ki“ (Jap. = Kraft), „elan vital“ (franz. = Lebensschwungkraft) oder der von Wilhelm Reich geprägte Begriff „Orgon“. Sie alle beschreiben eine angenommene kosmische Lebensenergie, die uns umgibt, durchdringt und verbindet.
Dabei wissen wir letztlich nicht, ob es sie gibt oder was diese Lebensenergie wirklich ist; ebenso wenig wie wir wissen, was Elektrizität ist. Dennoch wissen wir, wie Strom sich auswirkt. Wir „wissen“ auch, auf der persönlichen Erfahrungsebene, wie sich dieser Energiefluss im Körper anfühlt, wenn wir z.B. zornig, traurig oder verliebt sind.

Was ist SKAN?
SKAN ist eine körperorientierte Psychotherapie, die auf Wilhelm Reich zurückgeht. Vegetotheapie meint die Arbeit mit den vegetativen/unbewussten Prozessen.
SKAN ist auch eine Gruppe von Psychotherapeuten, die für ihre Arbeit und Lebensweise die herausragende Bedeutung freier energetischer Pulsation und ganzkörperlicher Bewusstheit anerkannt haben und das eigene Strömungsempfinden als Grundlage des Kontakts mit sich selbst und der Welt erleben.

In Europa wurden SKAN-Therapeuten seit 1979 von Michael Smith ausgebildet. Er arbeitete zuvor als Gestalt-Therapeut (ausgebildet bei Erving und Miriam Poltser) in USA. Sein besonderer Verdienst ist es, die Bedeutung von Scham und genitaler Angst für den Panzerungsprozess (= die Gesamtheit der chronischen Verspannungen, die ein Mensch als Abwehr gegen das Durchbrechen von Gefühlen und vegetativen Empfindungen, insbesondere von Angst, Wut, sexueller Erregung, entwickelt – heißt es in Elsworth F. Baker, Der Mensch in der Falle, S. 33, Kösel, 1980) verdeutlicht zu haben. Sein therapeutisches Handeln war konsequent danach ausgerichtet, dass „die Sehnsucht größer als die Angst sein muss“.
Zu den Ausbildungsgruppen kamen der Senior-Trainer, Konzertpianist und Schauspieldirektor Al Bauman (seit 1948 in Reichs „engerem Kreis“), die Opernsängerin Emiliy Derr, die Gestalt-Therapeutin Linda McNeal hinzu, wo sie zusammen mit Michael Smith und dem Sozialpädagogen Jürgen Christian lehrten.

Theoretische Hintergründe
Einen Kurzüberblick gibt Bernd A. Laska, Wilhelm Reich, rororo Bildmonographie, Rowohlt, 1985.

Der Patient kommt in der Regel wegen der Symptome, unter denen er leidet und deren Funktion in seinem seelischen Haushalt er aber nicht kennt. Der Therapeut fungiert dann einerseits als Hoffnungsträger, wird aber auch als Störenfried des neurotischen Gleichgewichts zwangsläufig zum Feind.
Siegmund Freud hatte gezeigt, dass Patienten sich Angst ersparen, wenn sie körperliche oder andere Symptome entwickeln. Störte man aber z.B. ein Zwangssymptom, das z.B. Sicherheit symbolisiert, entstand sofort Angst. In manchen Fällen waren die Kranken aber wie „gepanzert“ gegen Veränderungsimpulse. Der gesamte Charakter (griech. = Eigenart) leistete Widerstand und band offensichtlich alle Energie. Tatsächlich ist die intellektuelle Tätigkeit oft derart strukturiert und gerichtet, dass sie, äußerst raffiniert, gerade zur Vermeidung von Erkenntnis und zur Ablenkung von der Wirklichkeit gebraucht wird. In der Analyse zeigte sich dann im Widerstand dasjenige Triebelement, wogegen sich der Betroffene wehrte.
Daraus folgerte Reich: „Worte können lügen, der Ausdruck lügt nie.“

In der konsequenten Verfolgung der Freud´schen Lehre von der Aktualangst konnte Reich die ursprüngliche Formel: Angst entstehe durch Umwandlung von Libido (lat. = Trieb, so hatte Freud die Energie genannt, die als Sexualtrieb wahrnehmbar ist – allerdings sei daran erinnert, dass „sexuell“ bei Freud und Reich als umfassender Begriff gebraucht wird und alles Luststreben bezeichnet.), dahingehend abändern, dass Angst ein Phänomen des gleichen Erregungsvorganges am vegetativen (lat. = dem Willen entzogenen) System ist, der am sensiblen (lat. = durch die Sinne wahrnehmbar) System als Lust empfunden wird.
Erregung und Angst, Lust und Unlust, ebenso wie alle anderen alltäglichen Schwankungen des Wohlbefindens sind nicht Ausdruck, nicht Folge, nicht Begleiterscheinung, sondern die unmittelbare innere Wahrnehmungen der expansiven (lat. = sich ausdehnen) Strömungen im Körper oder des sich Zusammenziehens.
Dieses sich Ausdehnen und Zusammenziehen kann in jeder Zelle wie im gesamten gesunden Organismus (griech. = Lebewesen), mit der Atmung einhergehend, als charakteristisches (griech. = vorhersehbar), einheitliches Pulsieren beobacht werden.
Reich nannte dieses mechanische Spannung und elektrische Ladung aufbauen, um sich dann (elektrisch) zu entladen und (mechanisch) zu entspannen „Lebensformel“.
Damit hatte Reich die Einheit seelischer und körperlicher Funktionen erfasst. Entsprechend konnten charakterliche Panzerungen als funktionell identisch (lat. = Das-selbe-sein, völlige Gleichheit) mit der muskulären Hypertonie (griech. = Anspannung) begriffen werden.
Er (W. Reich, Der Urgegensatz des vegetativen Lebens, in: ZPS, Band 1, 1934, S. 129) bestand daher darauf, dass physiologische Grundfunktionen nicht psychologisch gedeutet werden können. Nur die Störungen solcher Funktionen können psychogen (griech. = seelisch bedingt) sein.

Zum Hintergrund der SKAN-Arbeit sei Wilhelm Reich´s „Drei-Schichten-Konzept“ angeführt. Denn, im fehlenden Kontakt der oberflächlichen Schicht der sozialen Rolle zum tiefen biologischen Kern der Person, beschreibt er 1933 in „Die Massenpsychologie des Faschismus, S. 11, Kiepenheuer & Witsch, 1986“ eine wichtige Unsache der soziale Tragödie des Menschen.

Reich beschreibt, wie die meisten Mensch sich auf der oberflächlichen Schicht ihres Wesens verhalten, höflich, mitleidig, pflichtbewusst und gewissenhaft zeigen. Im Laufe der Zeit identifizieren (lat. = gleichsetzen) sie sich mit dieser Schicht, der sozialen Fassade, ihrem Ich oder Ego oder falschen Selbst, das aus Gründen der Anpassung und des Überlebens entwickelt wird.

Als natürliches Fundament findet sich – unter günstigen sozialen Umständen – der gesunde Kern, das Selbst; die rationale, sich selbst steuernde Bewegung und Erregung des Protoplasmas (griech. = die lebende Substanz), die sich ausdrückt. Auf dieser inneren Schicht zeigt sich regelmäßig der Mensch, der ein ehrliches, arbeitsames, kooperatives, liebendes oder, wenn begründet, hassendes Tier ist.
Dazwischen liegt eine neuro-muskuläre Schicht, die mit all unseren Verhaltungen durch Anspannung die Energie verbraucht, die wir nicht in (Ausdrucks-)Bewegung umsetzen. Sie entstand zum Schutz des zentralen Selbst, als Produkt von Zurückhaltungen und Auslagerungen schmerzhafter Erfahrungen. In ihr hat sich die Gesamtheit aller Verdrängungen aufgebaut, wobei durch den Stau in der Muskulatur alle Gefühle in destruktive Kräfte, wie Wut, Trotz, Hass, Verachtung usw. gewandelt werden. Diese mittlere Schicht, setzt sich dann durchweg aus grausamen, sadistischen, sexuell lüsternen, raubgierigen und neidischen Impulsen zusammen.

Das erklärt sich folgendermaßen: Während positive Erfahrungen stabilisieren und zu Wiederholungen anregen, die der Person Struktur und Halt geben, regen negative Erfahrungen zu Umwegverhalten, also zum Lernen und Wachsen an – wenn sie das Selbst nicht überfordern. Ist das Negative jedoch zu heftig oder dauert zu lange an, muss es abgespalten werden, um zumindest Reste der eigenen Vitalität (lat. = natürliche Lebendigkeit) zu retten. Praktisch heißt das, Teile von uns oder der Umwelt werden als nicht mehr zugehörig „erklärt“, angespannte Muskeln verbrauchen die Bewegungsenergie, der Atem wird verhalten, Impulse und Bedürfnisse werden zurückgehalten und Gefühlsausdruck unterdrückt.
Will man in der Psychotherapie durch die beiden äußeren Schichten des Perversen (lat. = widernatürlich) zum biologischen, lebendig pulsierenden Wesen des Menschen vordringen, kann man das kaum, ohne erst die unechte scheinsoziale Oberfläche zu beseitigen. Fällt aber die Maske der Kultiviertheit, kommt zunächst nur die pervers-sadistische Charakterschicht zum Vorschein (Sadismus, franz. = (geschlechtliche) Erregung durch grausame Handlungen). Dennoch bemüht sich die SKAN-Körperpsychotherapie frühzeitig um einen Kontakt zur innersten Schicht. So kann die natürliche Kraft des biologischen Kerns von inner her an der Aufweichung und Auflösung der charakterlichen Starrheit und muskulären Panzerung wirken.
Der Patient wird angeleitet und unterstützt, seine eigenen Kräfte für seine Selbstfindung zu nutzen und die Verantwortung für diesen – im wörtlichen Sinne – erschütternden Prozess zu übernehmen.

Ziele
Es geht bei dieser Arbeit darum, die Lebensenergie wieder zum Fließen zu bringen und diese Kraft sinnvoll bündeln und gerichtet zum Ausdruck bringen zu können.

Dennoch ist die Formulierung von Zielen in der Körperarbeit problematisch, da jeder Mensch im Verlauf der Therapie seine eigene unvorhersehbare Wachstumsrichtung einschlägt – im eigenen, angemessenen Tempo und auf den eigenen notwendigen Wegen und Umwegen. Am Ende einer erfolgreichen Arbeit stellen sich jedoch verallgemeinerbare Resultate ein, ohne dass darauf bewusst hin gearbeitet wurde.

Ola Raknes, einer der bedeutendsten Schüler Reich´s, hat diese „Resultate“ als „orgonomische Kriterien für Gesundheit“ in „Wilhelm Reich und die Orgnonomie, S. 115, Nexus-Verlag, 1983 folgendermaßen zusammengefasst:

• Fähigkeit zu uneingeschränkter Konzentration auf einen Arbeitsvorgang, eine Aufgabe, ein Gespräch oder eine genitale Umarmung sowie ein Gefühl der Einheit in dem, was man ist und was man tut.
• Ein Gefühl des tiefen Kontakts zum eigenen Körper, zu anderen Menschen, zur Natur und Kunst und auch z.B. zu den Werkzeugen, die man bei der Arbeit benutzt; ferner auch die Fähigkeit, Eindrücke auf sich wirken zu lassen sowie der Mut und der Wille, es den Dingen und Ereignissen zu gestatten, Eindrücke hervorzurufen.
• Freiheit von Angst, wo keine Gefahr ist, und die Fähigkeit, auch in gefährlichen Situationen rational zu reagieren; der Mut, sich freiwillig in gefährliche Lagen zu begeben, wenn man vernünftige und wichtige Gründe dafür sieht.
• Ein tiefes und anhaltendes Gefühl von Wohlbefinden und Kraft, das auch spürbar ist, wenn man mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat oder nicht allzu starke Schmerzen erleidet.
Einige dieser Empfindungen lassen sich auf ein Lustgefühl in den Genitalien während de Atmung zurückführen.
• In ziemlich regelmäßigen Intervallen (das variiert von Person zu Person und von Zeit zu Zeit) findet, unter unwillkürlichen Konvulsionen (lat. = Zuckungen) des ganzen Körpers und momentanem Verlust des Bewusstseins, ein Orgasmus statt.
• Der ganze Organismus weist einen guten Tonus auf, der Körper ist elastisch aufgerichtet, keine Krämpfe, keine (groben) Zuckungen.
• Die Haut ist warm und ausreichend durchblutet, die Farbe rötlich oder leicht braun, warmer Schweiß kann auftreten.
• Die Muskeln können sich spannen und entspannen, ohne aber chronisch kontrahiert (lat. = zusammengezogen, angespannt) oder schlaff zu sein; freie Peristaltik (griech. = rhythmische Bewegung des Verdauungstraktes), keine Darmverstopfung oder Hämorrhoiden.

• Die Gesichtszüge sind lebendig und beweglich, niemals starr oder maskenartig, die Augen sind klar und zeigen lebhafte Pupillenreaktionen; die Augäpfel stehen weder vor, noch sind sie eingesunken.
• Es ist eine vollständige, tiefe Ausatmung mit einer Pause vor jeder neuen Inspiration vorhanden; die Brust kann sich frei und leicht bewegen.
• Der Puls ist gewöhnlich regelmäßig, ruhig und kräftig, der Blutdruck normal.
• Schließlich ist der ganze Organismus von einem breiten, sich verändernden Orgonfeld (ähnlich der Aura, griech. = Luft, Hauch) umgeben.

Vegetative Identifikation
Das methodische Vorgehen der SKAN-Therapie dahin ist nur schwer mit Worten zu beschreiben. Es organisiert sich weitgehend aus dem gefühlten Kontakt, die Reich vegetativen Identifikation nennt.
Alle Körper funktionieren im Prinzip gleich. Daher können wir im eigenen Körper nach- und mitempfinden, was im Körper des anderen vor sich geht. Wie im Kontakt zwischen Mutter und Säugling, können wir quasi energetisch mitzuschwingen, die Spannungssituation in uns selbst als, zum Gewohnten hin, verändert erfahren und daraus das therapeutische Handeln entstehen zu lassen.
Dabei führt nicht der Kopf – er ist nur ein Teil des Ganzen –, sondern das Gewahrsein des gesamten fühlenden, pulsierenden, strömenden Körpers.

Reich hatte die Einheit seelischer und körperlicher Funktionen erkannt und sah, dass die charakterlichen Panzerungen funktionell identisch mit der muskulären Hypertonie (lat. = Spannung) ist. Jede muskuläre Verspannung enthält die Geschichte und den Sinn ihrer Entstehung; sie ist die Form, in der sich das infantile (lat. = kindliche) Erlebnis als Schädigung erhält.
Daher war diese gesamte Ausbildung ein Prozess zunehmender Entpanzerung und zunehmender Durchlässigkeit für die Energiebewegungen im eigenen Körper. Der Weg dorthin wird erstaunlicherweise immer einfacher, je länger und intensiver man diesen Weg beschreitet. Allerdings weicht der SKAN-Weg deutlich von dem ab, was üblicherweise an unseren Bildungsinstituten vermittelt wird:

SKAN arbeitet nicht vornehmlich mit Begriffen, Konzepten, Ideen oder Konstrukten wie Bewusstes und Unbewusstes oder Ich, Es, Über-Ich usw. oder Theorien wie Kontakt und Kontaktstörung oder Charakterisierungen wie schizoid (griech. = ähnlich, von gespaltener Art, Übergangsform zwischen gesund und krank), asthenisch (griech. = Schwäche, abhängige Persönlichkeit), anankastisch (griech. = Verhängnis, schicksalhafter Zwang) oder hysterisch (griech. = Gebärmutter, rein seelisch bedingter Krankheitszustand).
Das bedeutet nicht, dass der Therapeut keine Diagnostik (griech. = Feststellung unterscheidender Merkmale; Erkennung einer Krankheit) betreibt oder keine Krankheitslehre im Hinterkopf hat oder kein, zumindest grobes, Behandlungskonzept beachtet; doch er achtet vor allem darauf, dass Raum für die Entfaltung des Besonderen da ist. Das erscheint vielen unverständlich oder gar suspekt (lat. = verdächtig).

Zur Erläuterung: Als ich vor vielen Jahren zum ersten Mal Zeuge einer Body-Session (engl. = Körperarbeit) war, habe ich nicht nur nicht begriffen, was dort und wie es geschah, sondern ich war auch heillos irritiert und anfänglich empört: jemand lag wie ein Neugeborenes auf einer Matratze, zitterte, zuckte, lief abwechselnd rot und blau an, gab unglaubliche Töne von sich und war, nach meinem damaligen schulpsychiatrischen Verständnis vom Therapeuten offenbar mitten in eine psychotische (griech. = geisteskrank) Episode (griech. = vorübergehendes Ereignis), mindestens aber in eine sehr beängstigende Hyperventilation (griech. = über, lat. = Atmung) hineingeführt worden. – Erst als ich den Prozess zu Ende verfolgt hatte, stellte sich eine wundersame friedvolle Stille ein, auch in mir.
Später begriff ich, im Selber-Tun, wie heilsam es ist, mich durch die eigenen Höllen und Ängste hindurchzuarbeiten, lange unterdrückte Bewegungen zu Ende zu bringen, Schmerzen herauszuschreien, mich anzunehmen und mich mit meiner Geschichte, Umwelt und mir, wie ich bin, zu versöhnen. Ich lernte das als Baby noch selbstverständlich gespürte pulsieren meines Körpers wieder zu erleben, geschehen zu lassen und wieder auszuhalten, ohne dass sofort irgendein erinnerter Schmerz mich zum Vermeiden und Zusammenziehen zwang.

Beziehung und Berührung
Neurose ist nicht nur der Ausdruck einer Störung des psychischen Gleichgewichts, sondern Ausdruck einer chronischen Störung des vegetativen Gleichgewichts.
Die vegetativen (unbewussten), primärhaften (frz. = ähnlich den Grundlage bildenden, ursprüngliche) Vorgänge in der therapeutischen Lösung sind in jedem Fall ein „berührender“ Prozess, ein Tun, das mich und den anderen in seinem Kern erreicht; der aber auch mit realer Berührung einhergeht; z.B. mit Halten, Provozieren, Aufmerksam machen usw..

Damit wird der Beziehungsaspekt in der Arbeit, insbes. das Wissen um die therapeutisch-menschliche Grenze, sehr wichtig.
Körpertherapeuten müssen – mehr als Therapeuten anderer Schulen – bereit und in der Lage sein, fundierte und klare persönliche Beziehungen zu den Menschen mit denen sie arbeiten einzugehen. Im Laufe einer Behandlung kommt es früher oder später zu erheblichen emotionalen Eruptionen (lat. = Ausbruch) mit einem großen Ausmaß sowohl an Sehnsucht, Zuneigung, Leidenschaft oder auch Zorn, Hass, Feindseligkeit und Trauer, die freigesetzt werden und in den Vordergrund kommen.

Dieser Wucht gilt es zu begegnen! Denn, wenn an der Stelle auf der Therapeutenseite nur eine soziale Maske oder ein Psychotechniker das Gegenüber ist, wird die Arbeit nicht nur nicht weitergehen; es wird schaden, so wie es früher schon einmal war, als das Kind mit seinem Lebensausdruck nicht angenommen werden konnte.
Im gesamten Umgang miteinander, besonders aber bei der direkten körperlichen Berührung kommt die Haltung, die man einem Menschen gegenüber einnimmt, sofort spürbar zum Ausdruck und ins Gefühl. Da brauchen beide klare Grenzen.
Dort gilt es, das eigene Körpererleben Wert zu schätzen und das abgewöhnte Vertrauen in den eigenen Körper wieder zu gewinnen. Es geht um ein allmähliches Begreifen, Verstehen und Zulassen des lebendigen Pulsierens in sich und für sich. Die sich vertiefende Identifikation (lat. = Verschmelzung) mit dem Rhythmus des Lebendigen – statt mit äußeren Attributen (lat. = Kennzeichen) und Dingen – schafft die Basis für Selbst- und Fremderkenntnis, (Selbst-)Wertschätzung, (Selbst-) Verantwortung und Gestaltungsfähigkeit.

Energie
„Wir arbeiten direkt am Lebendigen“ schrieb Reich in „Die Funktion des Orgasmus“, S. 224, Fischer TB, 1985.
Allem menschlichen Handeln und Erleben liegen energetischen Prozesse in unserem Körper zugrunde. Daher liegt in der Arbeit ein wesentliche Fokus (lat. = Brennpunkt) der Aufmerksamkeit auf der Bewegung der Energie (griech. = Wirksamkeit, Tatkraft, Fähigkeit eines Körpers Arbeit zu leisten) im Körper und bei der Art und Weise, wie die verschiedenen Menschen diesen Energiefluss blockieren oder behindern.
Dies gelingt, wenn z.B. die vielfältigen Manöver (frz. = Kunstgriffe, Scheinmaßnahmen) der Beziehungsvermeidung gespiegelt werden, durch beharrliches Schmelzen der emotionalen Blockierungen, der Verhaltenswiderstände und der muskulären Panzerungen in den verschiedenen Segmenten des Körpers.
Es ist für alle Beteiligten ein experimenteller Grenzgang; wobei Beziehung bei SKAN energetisch definiert ist und die therapeutische Einflussnahme auf einer tiefen biologischen Ebene meint:

• als Fähigkeit zur vegetativen (lat. = dem Willen entzogenen) Identifikation;
• als Fähigkeit, sich mit anderen Menschen und der lebendigen Natur energetisch (griech. = tatkräftig) verbinden zu können;
• als Fähigkeit, der Welt mit der Authentizität (griech. = Echtheit, Glaubwürdigkeit) des eigenen lebendigen Kerns, oder – wenn es sein muss – auch mit der Wucht bewusst eingesetzten Schauspiels, begegnen zu können – sei es im Zorn oder in liebenden Zuneigung.

Technisch gesehen, wird bei dieser Körperarbeit z.B. angeleitet, den Atem wieder als heilsame, reinigende und vitalisierende Kraft zu erfahren und zu einer dauerhaft vertieften und rhythmischen Atmung zu kommen. Parallel dazu können verschiedene Berührungen „unlebendige“, verspannte Bereiche bewusst machen. Ermutigungen zum gezielten Hinspüren, zu Stimm- und Ausdrucksbewegungen sollen das Wieder finden der eigenen lebendigen Erregungsmuster und Impulse anregen, ebenso die Arbeit mit dem körperlichen Energiefeld.

Da sich die Verspannungsmuster während der kindlichen Entwicklung tendenziell (lat. = Richtung eines Strebens) von oben nach unten ausbreiten und auch die Muskeln von oben nach unten größer werden, also die Kraft größer wird, orientiert sich der therapeutische Prozess an den von Reich formulierten sieben Segmenten (lat. = Abschnitt – unser Körper besteht aus Abschnitten, ähnlich einem Regenwurm, wo die Ringe noch gut zu sehen sind) der Panzerung: Augen-Segment, Mund-, Hals-, Brust-, Zwerchfell-, Bauch- und Becken-Segment (siehe Baker, s.o. S. 68-110).

Dennoch „ergeben“ sich die Arbeitsschritte aus dem jeweiligen Prozess und den aktuell beobachteten Phänomenen; sie sind an der Förderung des Lebendig-Seins orientiert. „Schmelzen“ die Ängste, Scham, Verspannungen, können sich dadurch Spannungen lösen, wobei manchmal auch die in den Verspannungs- und chronifizierten Verhaltensmustern gespeicherten Erinnerungen wieder ins Bewusstsein treten. Oft liegen die Bewegungsmuster auch vor der Zeit, in der wir aktiv im Gehirn Erinnerungen speichern konnten, so dass der Gesamtorganismus als Erinnerungsträger fungiert. Nach der Erfahrung werden die Erlebnisse besprochen und verstehend (neu) eingeordnet.

Bei günstigem Therapieverlauf wird z.B. der Kopf frei von zwanghaftem Denken, die Funktion der Zähne wird bewusst, die eigene Stimme kommt heraus, Brust und Herz öffnen sich, das Zwerchfell wird aus seiner andauernden „Hab-Acht-Stellung“ befreit, die unsere Gefühle blockt, der Bauch kann entspannen, das Becken wird beweglicher; die reife genitale Funktion / Person wird (wieder)hergestellt.

Anschließend bedarf es der Übung und Disziplin, die freigesetzte Lebensenergie im Alltag so einzusetzen, dass ein verantwortliches und befriedigendes Handeln und Erleben dabei herauskommt. Es gilt zu sehen, was (zu tun) ist, es zu tun.

Inhaltliche Probleme und Konflikte werden im Verlauf der Körpertherapie zunehmend bedeutungsloser, da sie nur äußerer Ausdruck des behinderten oder blockierten Energieflusses sind. Wenn der Charakterpanzer schmilzt, sieht die Welt anders aus, Kräfte werden frei zur Beseitigung „unlösbarer“ Konflikte, manches alte Problem ist plötzlich kein Thema mehr – und neue Grenzen kommen in Sicht. Daher gilt der zunehmenden Befreiung des Energieflusses im Körper die größte Aufmerksamkeit in der SKAN-Arbeit.

Die Grundform der Energiebewegung im Körper ist die Pulsation (lat. = schlagen, klopfen, z.B. des Herzens), das ist bei allen Lebewesen gleich. Der Rhythmus (griech. = Zeit oder Schlagfolge) unterscheidet sich, aber die Energie bewegt sich pulsierend vom Zentrum (lat. = Mittelpunkt) zur Peripherie (griech. = am Rande liegend, außen).
Die Pulsation besteht aus zwei Phasen: Kontraktion (lat. = Zusammenziehen) und Expansion (lat. = Ausdehnung). Sie ergeben den Rhythmus, den andauernden Schwingungszustand, in dem der Organismus, ja das ganze Universum, ständig hin- und herpendelt.

Wir erleben den Rhythmus als direktes körperliches Gefühl: Expansion z.B. als Lust, Liebe, Aggression, Ausdehnung, Entspannung, Sehnsucht, Öffnen, Freude. Kontraktion z.B. als Angst, Rückzug, Scham, Schuldgefühl aber auch als Sammlung und Konzentration.
Die Arbeit beginnt dort, wo das Gleichgewicht von Expansion und Kontraktion gestört ist. Alle Beschwerden, Krankheiten, Probleme sind Ausdruck einer tieferen Pulsationsstörung; also wenn eine Seite überwiegt.

Meist haben wir es in der Therapie mit Menschen zu tun, die in der Kontraktion festhalten. Auch ein psychotisches Sich-Verlieren in der Expansion fußt meist auf einer tiefer sitzenden Kontraktion des Gesamtorganismus. Das Festhalten in der Anspannung als Paradigma des menschlichen Dilemmas findet seinen allgemeinen Ausdruck in der Annahme, ein eigenständiges Ego oder Ich zu sein, getrennt von allem, was uns umgibt.

Techniken
Techniken sind in der SKAN-Arbeit der therapeutischen Beziehung untergeordnet. Erst auf der Grundlage einer guten Beziehung wird technisches Know-how wichtig und effektiv. Werden sie isoliert oder mechanisch eingesetzt, führen sie meistens nur zu kurzfristigen, mehr oder wenige spektakulären Ergebnissen oder wirken sich sogar schädlich aus, im Sinne einer verstärkten Panzerung. Im Allgemeinen erfolgt eine Energiemobilisierung mit Atem, Stimme, Bewegung und verschiedenen Massage-, Druck- und Berührungsformen, die eine Energieentladung, zur Lösung der muskulären Panzerungssegmente vom Kopf bis zum Becken, fördern.

Verantwortung
Mit fortschreitender Therapie wird es zunehmend einfacher, im Verlauf einer Sitzung „ins Strömen“ zu kommen, ein tiefes Gefühl von Wohlbefinden und Kraft zu verspüren. Entscheidend ist, diese Erfahrung in das alltägliche Leben zu integrieren und die Verantwortung für deren Aufrechterhaltung zu übernehmen.

Als Kurzüberblick empfehlenswert: Bernd A. Laska, Wilhelm Reich, rororo Bildmonographie, Rowohlt, 1985



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