Entspannung
Leben ist ein pulsierender Prozess, u.a. von Anspannung und Entspannung.
Heutzutage überwiegt – im beruflichen wie privaten Leben – immer mehr die Anspannung, die Dauerbelastung, die sich irgendwann (medizinisch gesehen) als Verspannung, später als Schmerz oder (psychologisch betrachtet) als Angst, als Enge, zeigt, die, noch eine Weile später, im Burnout, im Ausgebrannt sein, also in einer Depression mündet.
Aktiv entspannen können ist damit ein wichtiges Kriterium von Lebensqualität geworden.
Gib du ihm deine Hand
Ein Mann war in einem Sumpf (als Metapher (gr. = Übertragung), als Gleichnis, zu verstehen) versunken.
Nur sein Kopf schaute noch aus dem Morast heraus. Er schrie lauthals um Hilfe.
Bald sammelte sich eine Menschenmenge an dem Ort des Unglücks.
Einer fasste den Mut, dem Verunglückten zu helfen. „Gib mir deine Hand“, rief er zu ihm herüber. „Ich werde dich aus dem Sumpf herausziehen.“
So forderte er den Mann mehrmals auf, ihm seine Hand zu geben.
Die Antwort blieb lediglich ein erbärmliches Schreien um Hilfe.
Da trat ein anderer Mann hinzu und sprach: „Du siehst doch, dass er dir niemals seine Hand geben wird. Gib du ihm deine Hand, dann wirst du ihn retten können.“
In Anlehnung an: Der Kaufmann und der Papagei, N. Peseschkian; Fischer TB, 1998
Tatsächlich, fanden Wissenschaftler jüngst heraus:
Menschen, die sich um andere kümmern, sind mit ihrem Leben zufriedener.
Dies betrifft sowohl den Bereich des allgemeinen Sozialen (Freunde, häufige Besuche, soziale und politische Aktivitäten) als auch (zu einem etwas geringeren Grad) den Bereich Familie.
Ebenfalls ließ sich mit den Daten aus der Studie die bereits mehrfach in anderen Studien aufgetauchte Vermutung belegen, dass das Streben nach Karriere und materiellen Gütern (u.a. Geld) die eigene Lebenszufriedenheit signifikant negativ beeinflusst. (Unterschiede zwischen Messgrößen in der Statistik heißen signifikant, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass sie durch Zufall derart zustande kommen würden, nur gering ist; Irrtumswahrscheinlichkeit unter 5%).
Betrachtet man die Ziele von Paaren, so zeigt sich eine interessante Wechselwirkung zum Geschlecht: Frauen, deren Männer der Familie eine hohe Bedeutung beimessen, sind signifikant glücklicher als Frauen, deren Partner der Familie weniger Bedeutung beimessen.
Schließlich zeigte sich (wie auch in anderen Studien zuvor), dass der regelmäßige Kirchgang langfristig einen positiven Einfluss auf das Lebensglück hat. Da soziale Aktivitäten im jüdisch-christlich-muslimischen Kulturkreis als Teil religiöser Aktivitäten begriffen werden, wundert dies nicht. Ob es sich um Auswirkungen des Verhaltens oder des Glaubens handelt, mussten die Autoren offen lassen, da Religiosität nicht eigens erfragt wurde.
Neben Freizeit, Partner und Familie verbringen wir einen großen Teil unserer Lebenszeit mit Arbeiten. Um die Zufriedenheit mit der Arbeit der Versuchspersonen einzeln zu erfassen wurden sie danach gefragt, wie viele Stunden sie pro Woche insgesamt arbeiten und wie viele Stunden pro Woche sie insgesamt gerne arbeiten würde. Der Unterschied dieser beiden Angaben kann als Maß dafür verstanden werden, wie zufrieden die jeweiligen Personen mit ihrer „Work-Life-Balance“ sind; also ob sie die von ihnen bevorzugte Balance zwischen Arbeit und Freizeit für sich selbst verwirklichen können.
Sowohl für Männer, als auch für Frauen, bewirkt ein zu wenig an Arbeit eine stärkere Reduktion des Glücks, als ein zu viel.
Zu diesem Befund passt, dass Arbeitslosigkeit einen besonders starken negativen Effekt auf das erlebte Lebensglück (oft auch auf die Gesundheit und sogar die Lebenserwartung) hat, der bei Männern deutlich größer ist, als bei Frauen.
Weiterhin zeigte sich, dass bei Männern und bei Frauen etwa gleichermaßen soziale Teilhabe (sich mit Freunden, Verwandten oder Nachbarn treffen oder ihnen helfen) und regelmäßige körperliche Ertüchtigung (wiederum auf einer vierstufigen Skala von „nie“ bis „mindestens einmal pro Woche“ einzustufen) sich positiv auf die Lebensqualität auswirkt; die soziale Teilhabe deutlicher als der Sport. …
Die Studie zeigte, dass das Glück des Einzelnen keineswegs bei dessen Geburt festliegt.
In Anlehnung an: Wie werden wir glücklich? M. Spitzer, Ulm; Nervenheilkunde 12/2010, 29: 853-855
Finden und leben wir die zu uns passende „Balance“ nicht / nicht optimal, reagieren wir gestresst, um der inneren oder äußeren Bedrohung zu entkommen. Aktuell lässt sich sagen:
Stress ist ein Volksleiden.
Jeder 4. war durch Stress schon einmal krank; von den 30-50jährigen sogar jeder 3.
2012 fand der 1. „Tag der inneren Balance“ in Deutschland statt. Seitdem kann man sich bei der „Stress-Helpline“ (Tel: 08000 – 14 28 42) jeden Donnerstag von 17-19 Uhr kostenlos von Spezialisten beraten lassen.
Ziel: Die Menschen sollen stärker auf ihre Bedürfnisse achten und persönliche Stressauslöser früh erkennen, um stressbedingten Krankheiten vorbeugen zu können.
(Mehr zu „Stress – was passiert im Körper? – Link folgen)
Neue repräsentative Daten der Consumer Healthcare GfK zeigen als Stressoren in der BRD:
21 % Zeitnot oder Termindruck
21 % hohe Arbeitsbelastung
13 % Finanzielle Sorgen, Zukunftsangst
11 % Pendeln im Berufsverkehr, berufliche Reisetätigkeit
10 % Informationsüberflutung
10 % Konflikte in der Familie / Partnerschaft
8 % Lärm und ständige Störquellen
7 % Familie und Beruf vereinbaren
7 % Persönliche Konflikte mit Anderen
5 % schlechtes Betriebsklima
4 % Verlust des Arbeitsplatzes (n = 2.063, ab 14 J.)
Was eignet sich am besten zum Erhalt der inneren Balance?
Die Umfrageteilnehmer nannten Aktivitäten wie Sport oder Gartenarbeit ähnlich häufig wie Entspannung und Nichtstun. Es gibt also kein Patentrezept.
Langfristig ist das Setzen und Leben persönlicher Prioritäten unerlässlich.
Im Übrigen können alle Strategien gegen Stress helfen, wenn es Freude macht – sonst bringt die vermeintlich gesunde Aktivität womöglich zusätzlichen Stress.
Im Alltag können u.a. eingebaute Rituale (seien es regelmäßige Essenszeiten, Beten, Meditieren, Entspannungs- oder Gymnastikpausen, der Spaziergang zwischendurch, usw. – alles lieber als die Zigarette) helfen, Routinen zu unterbrechen oder den Wechsel zu einer neuen Aufgabe und damit das sich Konzentrieren erleichtern. Auch medizinische Prävention (wie Bewegung), mentale Aspekte (Entspannungstechniken) und das Management der Stressoren helfen weiter.
Chronischer Stress sollte verringert werden, weil er den Cortisolspiegel langfristig steigert – mit bekannten Gefahren, u.a. dem metabolisches Syndrom (charakterisiert durch 4 Faktoren: abdominale (= Bauch-)Fettleibigkeit, Bluthochdruck, veränderte Blutfettwerte, Diabetes Typ II; entwickelt aus einem Lebensstil mit permanenter Überernährung und Bewegungsmangel; heute, neben dem Rauchen, als der entscheidende Risikofaktor für arterielle Verschlusskrankheiten mit Herzinfarkt und Schlaganfall angesehen).
In Anlehnung an: Stressbedingten Krankheiten vorbeugen, H. Brettschneider; der Privatarzt, 10/2012
Lernen – mit Pausen geht´s besser
Beim Erlernen neuer Fähigkeiten – sei es Tanzen, sich entspannen, Klavierspielen lernen – findet, Dank neuronaler Plastizität, eine Neuvernetzung in unserem Gehirn statt.
Damit der Lernfortschritt nicht kurzfristig bleibt oder sich gar nicht erst einstellt, müssen die neuen Verhaltensmuster wiederholt werden. Denn erst durch das Benutzen konsolidieren (lat. con- = zusammen; solidare = festigen) sich die Nervenverbindungen und damit die Verhaltensmuster. Besonders gut gelingt das, wenn die neuen Lerninhalte emotional eingefärbt sind und uns etwas bedeuten.
Auch sollte man beachten, dass die einzelnen Lernphasen kurz (20 – 45 – 90 Min.) sind und dazwischen regelmäßige Pausen stattfinden, weil so der Lernfortschritt größer ist.
Um die Inhalte aus dem Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis zu übertragen ist dann noch das Schlafen (ein tiefes, entspanntes) ganz besonders wichtig.
siehe auch z.B.: http://www.pruefungsratgeber.de/diese-4-pausen-sind-wichtig-beim-lernen/
Die verschiedenen Entspannungsverfahren
Im Folgenden finden Sie einen Überblick über die gängigsten Techniken; zudem sollen Ihnen Informationen zum Verständnis der Prozesse, Ziele und Wirkungen vermittelt werden.
Immer mit Bedenken sollten Sie im Zusammenhang mit Entspannung, ob Sie sich hinreichend Mußezeiten gönnen, um kreative Ideen zu entwickeln, ob Sie ausreichende und zu Ihnen passende körperliche Aktivitäten leben, ob Ihre Ernährung abwechslungsreich ist und alles Notwendige für den gesunden Betrieb Ihres Körpers und Ihres Gehirns enthält.
Körperhaltungen und Zeitbedarf
Zum Erlernen der Entspannungsverfahren ist in erster Linie wichtig, dass die eingenommene Haltung über den Zeitraum der Übung bequem ist. Mit wachsender Erfahrung spielt die Körperhaltung eine abnehmende Rolle. Typische Trainingshaltungen sind: liegende Position, Kutscherhaltung, Lehnstuhl und Schreibtischhaltung.
Alle Entspannungsübungssequenzen, unabhängig von der Methode, ebenso wie ein Mittagsschlaf (heute „power nap“ (engl. = kraftvolle kurze Schlafperiode) genannt), sollten 20 Min., maximal eine ½ Stunde, dauern, da der Körper sonst auf „Feierabendmodus“ umschaltet und man dann meist an dem Tag nicht mehr wirklich in seine Kraft kommt.
Das Zurücknehmen
Für das Zurückkommen nach der Übung in den Alltag ist es wichtig, in der Muskulatur wieder den Arbeitstonus herzustellen; also die Muskelfibrillen wieder in eine Mittellage zu bringen. Damit funktionieren einerseits die Bewegungen wieder „flüssig“, zum anderen verringert sich die Gefahr, dass bei Aufstehen das Blut, der Schwerkraft folgend, nach unten sackt und eine relative Minderdurchblutung des Gehirns entsteht – mit der Folge von Schwindelgefühlen bis hin zum „Schwarz werden vor Augen“ und der Gefahr eines Sturzes.
Ein sanfter Weg zurück in den Aktionstonus der Muskulatur ist:
1 = Fäuste ballen,
2 = Arme anwinkeln,
3 = Augen auf (um sich wieder zu orientieren),
evtl. 4 = sich noch ein wenig strecken und räkeln, wie vor oder nach dem Aufstehen morgens.
Danach sollen Sie sich frisch und erholt fühlen; können sich vielleicht sogar auf die vor Ihnen liegenden Aufgaben freuen.
Das Protokoll
Empfehlenswert ist es, bei all diesen Techniken, einmal täglich Protokoll zu führen und aufzuschreiben, was Sie bei den Übungen erlebt haben und welche Effekte beobachtet werden konnten. Sich mit dem Erlebten zu befassen, darüber zu reflektieren, es zu verbalisieren und zu notieren, erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit des Trainings wesentlich, weil dadurch zusätzliche Gedächtnisspuren angelegt werden.
Die Techniken:
progressive Muskelrelaxation (lat. = zunehmende Muskelentspannung) PMR
Dieses Entspannungsverfahren nach dem amerikanischen Arzt Edmund Jacobson ist die am weitesten verbreitete Methode; meist im Liegen praktiziert. Ursprünglich beinhaltete das Training neben den Muskelübungen auch Visualisierungs- und Sprechübungen. Aufgrund der Umständlichkeit wurde das Verfahren von mehreren Autoren modifiziert und gekürzt. Seither findet es vorwiegend in der von Bernstein u. Borkovec beschriebenen Fassung Anwendung. Es werden nacheinander gezielt (Tab. 1) verschiedene Muskelgruppen kurz (5–7 Sec.) angespannt und wieder entspannt (30-4 Sec.):
Tab. 1:
Reihenfolge der
Übungen mit 16 Übungen mit 7 Übungen mit 4
zusammengefassten Muskelgruppen
Langfassung (25-30 Min.) Kurzfassung (15-20 Min.) Kurzfassung (5-8 Min.)
1 dominante Hand u. Unterarm 1 1
2 dominanter Oberarm
3 nicht dominante Hand u. Unterarm 2
4 nicht dominanter Oberarm
5 Stirn 3 2
6 obere Wangenpartie u. Nase
7 untere Wangenpartie u. Kiefer
8 Nacken u. Hals 4
9 Brust, Schultern u. oberer Rücken 5 3
10 Bauchmuskulatur
11 dominanter Oberschenkel 6 4
12 dominanter Unterschenkel
13 dominanter Fuß
14 nicht dominanter Oberschenkel 7
15 nicht dominanter Unterschenkel
16 nicht dominanter Fuß
Bei Bedarf, z.B. bei Schmerzen dort, kann auch noch die untere Rücken- u. Gesäßmuskulatur in die Übung aufgenommen werden oder auch ein Bereich ausgespart bleiben.
Die Instruktionen sollen vom Anleiter (gleichgültig ob das ein anderer oder man selbst ist) in neutraler Formulierung erfolgen; Suggestionen sollten (zunächst) vermieden werden.
Der Übende soll zu einem passiven und sorgfältigen Beobachter des auftretenden Entspannungsprozesses werden.
Der Anleiter oder der Therapeut (gr. = der Diener) verdeutlicht mit Zwischenkommentaren lediglich, was vor sich geht (z.B. „Achten Sie auf die Empfindungen in der Muskulatur“, „Wie fühlt sich der Unterschied zwischen Anspannung und Entspannung an?“ usw.) oder beschränkt sich darauf, die gerade ins Bewusstsein und zur Übung gerufenen Muskeln zu benennen.
Mit zunehmender Übung kann die Anzahl der Muskelgruppen von 16 auf 7, später auf 4 reduziert werden, ohne die Tiefe der erreichbaren Entspannung zu vermindern.
Mit weiterem Fortschritt kann sogar die aktive Anspannungsphase wegfallen; es werden nur noch vorhandene Spannungen wahrgenommen und von diesem Niveau aus weiter entspannt;
- als Entspannung durch Vergegenwärtigung bezeichnet.
Nachdem man die Körperregionen durchgegangen ist, kann ergänzend, um den ständig unruhigen Fluss der Gedanken zu lenken und von anregenden und (an)spannenden Themen wegzubringen, jeweils gleichzeitig mit der Ausatmung gezählt werden (z.B. von 1 – 10); d.h. jede Ausatmung, jedes Loslassen, wird mit einer Zahl kommentiert. (Bitte erwarten Sie nicht, dass Sie (oft) bis 10 zählen können – obwohl Sie das wahrscheinlich können; häufig (zumindest anfänglich) werden Sie feststellen, dass Sie zwischenzeitlich abgelenkt waren. Dann gilt es, einfach neu zu beginnen, sich nicht verführen zu lassen, sich zu ärgern. Denn das hält Sie ja nur noch länger vom Zählen, vom Markieren des Loslassens, ab.)
- Durch das immer gleiche Vorgehen entsteht eine konditionierte (Erlernen eines Reiz-Reaktions-Musters) Entspannung; die sich schließlich im Alltag zur Kurzentspannung einsetzen lässt. In Stresssituationen z.B. kann man sich so beruhigen. Diese gelernte Entspannung kann zusätzlich mit einem Schlüsselwort, wie „ruhig“ oder „entspannt“, gekoppelt werden.
· Autogenes Training (lat. = eigenständiges Training) AT
Dieses überwiegend im deutschsprachigen Raum bekannt Verfahren wurde von dem Berliner Arzt Johannes Heinrich Schultz ebenfalls Anfang des letzten Jahrhunderts entwickelt. Das AT gegliedert sich in drei Stufen; meist wird die Grundstufe gelehrt.
Als Selbsthypnose entwickelt, suggeriert sich der Übende mit den Grundstufenübungen selbst formelhaft physiologische Entspannungsreaktionen (Tab. 2). Unterstützende Formeln, wie „Ich bin ganz ruhig“, die im eigenen Rhythmus zu Beginn und zwischendurch immer mal wieder eingestreut werden, verstärken die erreichten Effekte; ebenso wie weitere Formeln (z.B. „Der Schmerz / Lärm / die Fliege / meine Gedanken usw. bringen mich immer tiefer zur Ruhe“), die individuell erarbeitet werden können.
Die Techniken der Grundstufe, aus 6 Übungen bestehend, wenden sich an das vegetative (= nicht dem Willen unterliegende, unbewusst arbeitende) Nervensystem:
Tab. 2
- Erleben der Schwere „Mein dominanter Arm ist angenehm schwer.“ (usw. wie bei PMR)
- Erleben der Wärme „Mein dominanter Arm ist angenehm warm.“ (usw.)
- Herzregulierung „Mein Herz schlägt ruhig und kräftig.“
- Atmungsregulierung „Mein Atem ist tief und regelmäßig.“
- Bauchwärme „Mein Bauch ist angenehm warm.“
- Stirnkühlung „Meine Stirn ist angenehm kühl.“ (= mein Denken klar)
Übungen der Mittelstufe bezwecken die Beeinflussung des Verhaltens durch formelhafte Vorsatzbildung (z.B. „rauchfrei ist angenehm“).
Methoden der Oberstufe sollen unbewusste Bereiche des Trainierenden erschließen.
Aus der Selbsthypnose nimmt man sich am Ende aktiv zurück; außer vor dem Schlafengehen, da schläft man ein und weiß: „es funktioniert“. Zurücknehmen kommt morgens automatisch.
- Biofeedback
Viele Menschen sind sich ihrer vegetativen (unwillkürlichen) Mitreaktionen nicht bewusst. Mit Hilfe von Biofeedback können körperliche Signale (z.B. Hautwiderstand, Puls) maschinell (z.B. mit Ihrer Sportuhr, speziellen Biofeedbackgeräten) an den Übenden zurückgemeldet werden; meist visuell (lat. sehen) oder akustisch (gr. hören), z.T. auch als Verlaufskurve ausgedruckt.
Auch hier werden vielfältige Ziele, z.B. die Vermittlung eines psychophysiologischen Modells oder die Kontrolle über spezifische, vormals unbewusster Körperreaktionen, wie eine Vasokonstriktion (lat. vas = Gefäß, constringere = zusammenschnüren) der Schläfenarterie bei Migräne, verfolgt.
Das Erleben des Funktionierens einer Entspannungstechnik kann durch Biofeedback erleichtert und unterstützt werden. Beim Händeerwärmungstranining z.B. wird die Hauttemperatur des Übenden gemessen und zurückgemeldet; bei Schmerzpatienten, vor allem bei diversen Kopfschmerzen und Rückenschmerzen, kommt häufig das Elektromyogramm EMG (elektrische Messung und Aufzeichnung der Aktivität von Muskelfasern oder Muskelgruppen) als Feedbackinstrument zum Einsatz.
Der Übende soll u.a. lernen, unterschiedliche Spannungsniveaus zu diskriminieren (wahrnehmen und unterscheiden) und die betroffene Muskulatur gezielt zu entspannen.
· Imagination
Imagination (lat. imago = Bild; synonym mit Einbildungskraft, Phantasie, sich anschaulich Vorstellen) bezeichnet dynamische, psychophysiologische Prozesse, bei denen auf der Vorstellungsebene realitätsnahe Wahrnehmungen unterschiedlicher Sinnesqualitäten erzeugt werden (z.B. Bilder, Gerüche, Geräusche, Temperaturempfindungen). Diese, durch die Vorstellungskraft des Übenden hervorgerufenen Wahrnehmungen sind geeignet, Entspannungsreaktionen hervorzurufen.
- Beim Händeerwärmungstranining z.B. kann die Hautdurchblutung verbessert werden, indem sich der Übende Vorstellungen zunutze macht, wie „Die Hand wird von der Sonne gewärmt“ oder er stellt sich die Blutgefäße vor, die sich immer weiter stellen.
- Vorstellungen von z.B. einem „Ort der Ruhe“, „sicherer Ort“ etc. oder auch eine gelenkte Fantasie in Form einer symbolträchtigen Geschichte (Traumreisen) werden zur Vertiefung der Entspannung und als Ablenkung von einer Problemsicht, möglichst hin zu einer Lösungsentdeckung, genutzt. Die in der Entspannung spontan auftretenden Vorstellungsbilder können zudem systematisch in das Training integriert werden. Darüber hinaus können positive Emotionen induziert und erlebt werden.
- Die Katathym Imaginative Psychotherapie (KIP) gehört in diesen Bereich. Es handelt sich um ein von Hanscarl Leuner 1954 eingeführtes Verfahren, das als tiefenpsychologisch fundierte Methode anerkannt ist. Das Wort „Katathym“ (= affekt-, wunsch-bedingt, durch Wahnvorstellungen entstanden) soll deutlich machen, dass diese Vorstellungen „aus dem Gefühl heraus“, also nicht willentlich gesteuert werden.
Im Unterschied zu den Visualisierungstechniken anderer Methoden werden hier alle Sinnesmodalitäten angesprochen, die sich in Handlungsvollzügen von Tagtraumcharakter entfalten. Es werden bestimmte Standardmotive (z.B. Blume, Wiese, Bach, Berg, Wald, Löwe, Auto, Höhle, Vulkan) vorgegeben, um spezifische Symbolisierungsprozesse zu fördern. Durch vorherige Entspannung des Körpers, welche durch den Therapeuten angeleitet wird, kommt es zu einer kontrollierten Regression und Lockerung der Abwehr.
Auf der Bildebene des Tagtraums kommen neben der aktuellen Befindlichkeit des Patienten u.a. seine Wesenszüge, Verhaltenseigentümlichkeiten, Ressourcen, Motivationsstrukturen und zentralen unbewussten Beziehungskonflikte symbolisch zur Darstellung. Darüber hinaus verbildlichen sich immer wieder auch die als „Übertragung“ bezeichneten unbewussten Vorstellungen über die therapeutische Beziehung und jene Erfahrungen mit anderen Menschen, die als so genannte „Repräsentanzen“ ihren innerseelischen Niederschlag gefunden haben. Die kognitiven (lat. = erkennen, incl. wahrnehmen, beurteilen, bewerten, verstehen, erwarten) und affektiven (emotional; lat. afficere = in eine Stimmung versetzen) Inhalte des Tagtraumgeschehens können unter diagnostischen Gesichtspunkten verstanden und therapeutisch aufgegriffen werden, um die Tiefen der unbewussten seelischen Vorgänge von bewusstseinsnahen Schichten her langsam und vorsichtig zu ergründen.
In der Traumatherapie bezieht die KIP die Arbeit mit dem „inneren Kind“ in die Behandlung ein. Es werden Imaginationen angeleitet, das innere Kind an einen sicheren, guten Ort zu bringen und von imaginären Helferwesen versorgen zu lassen.
Neben der Behandlung neurotischer Störungen hat sich das Spektrum der Indikationen auch auf andere psychogene Erkrankungen (z.B. strukturelle Ich-Störungen, posttraumatische Belastungsstörungen etc.) erweitert. Für psychosomatische Erkrankungen hält das Verfahren schonende und effektive Behandlungsansätze bereit.
angelehnt an einen Artikel über KIP in Wikipedia
L. Kottje-Birnbacher beschreibt einige Standardmotive, die in der KIP Anwendung finden, genauer und geht auf ihre Bedeutung ein. z.B.:
Bei dem Motiv der Wiese wird die momentane Stimmung des Patienten und seine habituelle (gewohnheitsmäßig, zum Charakter gehörend) Art, an die Welt heranzugehen, gezeigt; z.B. durch die Üppigkeit oder Kargheit, Weite oder Begrenztheit der Wiese, durch das Wetter und die Jahreszeit im vorgestellten Bild. Die Handlungen, die der Patient in seiner Vorstellung ausübt, zeigen seine übliche Herangehensweise an die Welt. Manche Patienten machen es sich gemütlich, andere wollen etwas erleben, ein anderer weiß nicht recht, was er machen soll oder will usw. Bäume, Tiere oder Menschen können Selbst- und Objektrepräsentanzen symbolisieren. Ebenso kann der Patient in seine Vergangenheit zurückreisen, sich wieder wie ein Kind fühlen und lang vergessene Gefühle wieder beleben.
Der Berg mit seinen Höhen und Formen, kann Einblick in das Anspruchsniveau des Patienten geben. Narzisstische Persönlichkeiten z.B. neigen dazu eindrucksvolle, unbesteigbare Hochgebirge zu kreieren, wo hingegen depressive Persönlichkeiten sich meist uninteressante kleine Hügel vorstellen. In diesem Motivbild kann auch der Umgang mit Leistungsaufgaben erforscht werden, indem der Patient aufgefordert wird, den Berg zu besteigen. Der Patient kann z. B. der Aufgabe ausweichen und sich sofort auf den Gipfel des Berges sehen oder er betrachtet den Aufstieg als nicht lohnend. Ebenso die Erwartung an den Aufstieg kann aufschlussreich sein – ist der Weg leicht oder mühevoll zu bewältigen? Gibt es Hindernisse? Wenn ja, wie bewältigt er diese? Sind sie unüberwindbar oder geht der Patient ehrgeizig an diese Herausforderung heran? Überschätzt er sich vielleicht selbst? Ebenso ist es interessant zu beobachten, wie es dem Patienten geht, wenn er sein Ziel, den Gipfel, erreicht hat – ist er befriedigt, erschöpft oder einsam? Wie ist der Rundblick?
Kottje-Birnbacher, L., 1/2001: Einführung in die KIP. In: Imagonation (ÖGATAP) 23.Jahrg., 4/2001, Wien
- Hypnose (gr. hypnos = Schlaf); medizinisch: Hypnosedierung (lat. sedare = beruhigen)
Auch zu diesem Punkt schreibe ich ein paar Worte mehr, da oft reges Interesse an der Methode besteht und wenig Wissen – dennoch ist oft die irrige Vorstellung anzutreffen, man könne durch Hypnose „der Wahrheit“ näher kommen. Wessen Wahrheit? Mit welchem Ziel?
Die Hypnose stellt einen besonderen Zustand her, der sowohl physiologisch als auch erlebensmäßig von erhöhter Bewusstheit bis zu tiefer Entspannung reichen kann.
Den Hypnosetechniken ist gemeinsam, dass sie das Bewusstsein mit wenig aufmerksamkeits-fordernden Tätigkeiten beschäftigen, so dessen Kritik gezielt umgehen und schrittweise ausschalten. Auf diese Weise verliert das Bewusstsein seine beherrschende Stellung, die Steuerfähigkeit wird eingeschränkt und das Unbewusste wird direkt ansprechbar.
Welche Suggestionen oder Methoden am besten geeignet sind, ist vom Probanden und von den näheren Umständen abhängig. Die Trance kann nach Belieben vertieft werden, wenn der Proband keine unbewussten Widerstände gegen eine Vertiefung der Trance leistet. Meistens analog dazu nimmt die Kritikfähigkeit des Bewusstseins ab.
Durch die Tranceinduktion wird der hypnotische Zustand direkt oder indirekt eingeleitet. Förderlich bis notwendig sind für die Induktion suggerierte Sicherheit und Geborgenheit; Musik kann helfen. Die Suggestionen werden meist wiederholt oder enthalten selbst Wiederholungen, auch Monotonie wirkt hypnotisierend. Während die direkte Variante meist mit befehlsähnlichen Suggestionen arbeitet, haben die Sprachmuster der indirekten Methode einen eher erlaubenden oder gewährenden Charakter. Selbst im Alltag können durch Umweltphänomene Tranceinduktionen entstehen; z.B. durch monotone Reize und Rhythmen, Anstarren von Objekten, während motorischer Routineabläufe, beim Ticken von Uhren, bei Meeresrauschen oder beim Tanzen.
Wichtig ist, neben dem Einverständnis des Probanden über den Einsatz einer direkten Induktionsmethode, auch die positive Einstellung und Erwartung gegenüber der gewählten Methode. Auch das entstehende autoritäre Beziehungsmuster muss der Proband wünschen oder zumindest akzeptieren. In diesem Beziehungsmuster hat der Hypnotiseur die vorgebende und dominierende Rolle, der Proband eine passive, sich unterordnende Rolle.
Direkte Methoden basieren im Kern auf Aufmerksamkeitsabsorption bzw. Fokussierung der Aufmerksamkeit auf eine Sache. Hierzu können (nahezu) alle Sinne eingesetzt werden. Bekannt ist die „Augenfixation“, bei der das Anstarren eines Objekts die Augenmuskeln ermüdet und die Neigung, in Trance zu gehen, verstärkt. Mit akustischer Unterstützung arbeitet z.B. die „Augen-Zähl-Methode“: Der Hypnotiseur zählt von hundert rückwärts und fordert den Probanden auf, bei geraden Zahlen die Augen zu schließen und bei ungeraden zu öffnen. Weiterhin können sprachliche Anweisungen, hier von direktivem (bestimmenden) Charakter, und akustische, überwiegend gleichförmige und beruhigende Klänge oder auch Musikstücke, eingesetzt werden. Es können auch haptische (gr. = fühlbar, also Berührungen), olfaktorische (lat. = riechen, z.B. Düfte), chemische (z.B. Medikamente) und motorische (den Bewegungsablauf betreffend) Methoden eingesetzt werden.
Die Körperhaltung ist hierbei eigentlich egal; jedoch sollte sich der Proband entspannen können. Üblicherweise wird Entspannung suggeriert oder direkt durch andere Techniken (z.B. Rapport herstellen = Menschen auf ihrem Niveau anzusprechen, deren Sprache verwenden; Pacing = sich im Ausdrucksverhalten an den anderen anpassen; Leading = die Richtung der Kommunikation verändern) herbeigeführt oder indem normalerweise unbewusst ablaufenden Prozessen (z. B. Atmung oder Lidschlag) an die Suggestionen angepasst werden. Dabei werden gern Stufen von einer bestimmten Anzahl langsam abwärts gezählt; mit jeder Stufe entspannt man sich dabei mehr und mehr, bis mit der letzten Stufe die Hypnose induziert sein kann. Auch Kombinationen verschiedener Techniken sind denkbar.
Jede hypnotische Trance bedarf der Auflösung. Dazu wird mithilfe von Suggestionen der ursprüngliche Bewusstseinszustand wiederhergestellt. Sonstige gegebene Suggestionen müssen durch entsprechende Gegensuggestionen aufgehoben werden. Die Auflösung geht normalerweise schneller vonstatten als die Einleitung, sollte jedoch niemals überstürzt vorgenommen oder gar vernachlässigt werden. Der Organismus braucht ein wenig Zeit, um etwa die Tätigkeit des Herz-Kreislauf-Systems wieder auf Normalwerte zu regulieren.
Wenn keine Amnesie suggeriert wurde und man sich nicht in tiefer Trance befand, kann man sich an die Sitzung erinnern. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden, um den Klienten aus der Trance zurückzuholen. Die bekannteste Technik ist das Aufwärtszählen (z.B. von 1 bis 5), wobei jede Zahl mit einer Aufwach-Suggestion verbunden wird, die dem Stabilisieren der Körperfunktionen auf normale Wachwerte dient.
Wenn allerdings von außen Reize auf den Hypnotisanden einwirken, die einen Schock bei ihm auslösen (z. B. Feueralarm), wird dieser von selbst aus der Trance erwachen. Bei einer unbeabsichtigten bzw. ungewollten Auflösung kann eine Nachbearbeitung durch den Hypnotiseur notwendig sein, um leichteren Beschwerden vorzubeugen. Nach einem unangekündigten längeren Zeitraum ohne Suggestionen wird die Trance automatisch in Schlaf übergehen; aus diesem wird der Hypnotisand auch ganz normal erwachen, wodurch allerdings die Suggestionen nicht alle automatisch auch aufgehoben werden. Es kann also unter Umständen notwendig sein, die Hypnose neu einzuleiten und diverse Suggestionen wieder zurückzunehmen.
In der klinischen Anwendung werden die hypnotherapeutischen Techniken z.B. zur in der Schmerztherapie zur Schmerzkontrolle genutzt, denn die hypnotische Suggestibilität spielt sowohl für den sensorischen (spüren, fühlen) als auch den affektiven (gefühlsmäßig) Anteil der Schmerzwahrnehmung eine Rolle.
- Achtsamkeits-, akzeptanzorientierte u. Meditations-Übungen
Diese Techniken haben nicht primär das Ziel der Entspannung; es handelt sich hierbei um spezifische Form der „nichtintentionalen Aufmerksamkeitslenkung“, welche jedoch auch mit Entspannung und dem Gefühl, zur Ruhe zu kommen, einhergehen kann. (Meditation, lat., abgeleitet vom Verb meditari = nachdenken, nachsinnen, überlegen, verwandt mit mederi = heilen, medicina = Heilkunst)
Wesentliches Element dieser, nur verschieden bezeichneten, Übungspraktiken ist jedoch weder das Denken, noch das Nichtdenken oder gar das „Nichts“ denken. Im Gegenteil, diese Techniken erlauben die Fülle an Rezeptionen (lat. = aufnehmen) in uns und in der Welt wahrzunehmen und üben gleichzeitig, nicht darauf zu reagieren. Hier achtet man auf das, was ist, ebenso auf das was nicht ist und auf den Raum „dazwischen“, auf die Differenzen, wie auf die Integration des Paradoxons. (Ein Paradox(on) – gr. para = neben, außer, daran vorbei und doxa = Meinung, Ansicht; ein scheinbar oder tatsächlich unauflösbarer Widerspruch)
Das tun wir, um unser Gehirn zu beschäftigen, denn es ist aktiv, solange wir leben, mehr oder weniger bzw. während des Meditierens anders, ruhiger aktiv, als im Wachzustand.
Die Kunst ist, sich nicht einfangen zu lassen, nicht mit den Gedanken, Empfindungen, Wahrnehmungen „wegzufliegen“, also die Aufmerksamkeit an sie zu hängen, sondern selbst zu bestimmen, worauf ich achte. Denn wohin immer ich meine Aufmerksamkeit richte, auf welchen Ausschnitt der Gesamtrealität ich mich einstelle, da entsteht mein, das vom mir selektierte, einzigartige, subjektive, Erleben.
Erst wenn ich selbst wählen kann, worauf ich mich fokussiere, bin ich in der Lage, zu erleben, was ich will. Dann kann ich frei entscheiden, ob ich z.B. eine Aussage als Selbstoffenbarung des Sprechers (sei es der Chef, die Frau, der Ehemann, der Nachbar, ein Kind usw.) verstehe, es als Geschenk nehme oder als Appell und Aufforderung an mich, etwas zu tun, als Feedback (Rückmeldung) oder gar als Angriff sehe oder ob ich mich aufrege, ärgere oder es sein lasse und in der Lage bin, mich selbst zu beruhigen.
Als Einstiegsübungen werden häufig die Fokussierung auf die Atmung (z.B. beobachten von Ein- und Ausatmung oder, mit dem Atem von 1-10 zählen, immer wieder neu, wobei es unwichtig ist, ob die Sequenz vollständig wird. Wichtig ist immer nur, achtsam zu sein und zum Zählen, zur Fokussierung zurückzukommen) oder auch ein „body scan“ (das innerliche Gewahrwerden des Körpers und seiner Teile) als Wahrnehmungsübung durchgeführt. Man kann sich auch auf einen Punkt am Boden, einen Gegenstand, eine Kerzenflamme, Landschaft, usw. konzentrieren.
Wichtig bei den Mediations- oder Achtsamkeitsübungen ist, während einer zuvor festgesetzten Zeit, achtsam auf das zu sein, was gerade passiert und sich nicht ablenken zu lassen bzw. immer wieder zur Übung zurückzukommen.
Vor allem anfänglich, aber auch später immer wieder, wird es nicht gelingen, so bewusst zu sein, wie es sich der Übende wünscht. Spätestens hier ist Akzeptieren angesagt – gleichzeitig eine gute Übung für andere Lebenssituationen, in denen Demut heilsam ist.
Immer wieder übernehmen die automatisierten, unbewussten Routinen die Steuerung unseres Lebens; das ist ganz normal. Vor allem wenn man sich bewusst macht, dass vermutlich 99 % unserer Alltagserlebens aus der Erinnerung stammt. Sobald eine Information dem Gehirn als „bekannt“ vorkommt, erfolgt kein genaues „Hinschauen“ mehr und es wird keine neuer Eindruck gespeichert. Daher übersieht Mann z.B., dass Frau beim Friseur war. Dies ist auch der Grund dafür, dass einem im Alter die Zeit schneller laufend vorkommt. In Relation zur äußeren Uhrzeit, gibt es weniger innere „Takte“ durch neue Eindrücke. Abwechslung oder hohe Konzentration sind also in der Regel nötig, wenn wir bewusst Handeln wollen.
Wirkungen und Ziele der Entspannungstechniken
Entspannung ist ein spezifischer körperlicher Prozess, der sich auf dem Kontinuum von Aktiviertheit und Deaktiviertheit bewegt: Anfänglich lässt sich eine Aktivierung mit Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin, Noradrenalin, Cortisol im Blut nachweisen; erst nach einer Weile kommt es zu einer „Sympathikolyse“ (Nachlassen der Aktivität im auf Aktivität gerichteten Teil des unwillkürlichen, des vegetativen Nervensystems) und zur Entspannung.
Diese lässt sich im EEG (Elektroenzephalogramm (gr. encephalon = Gehirn, gráphein = schreiben); Messung der summierten elektrischen Aktivität des Gehirns durch Aufzeichnung der Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche) messen. Die Entspannung zeigt sich auch in einer ruhigeren, vertieften Atmung, einem ruhigen, verlangsamten Pulsschlag, einer verbesserten Hautleitfähigkeit für Strom und an der gelockerten Muskulatur, so dass sich der Körper meist schwer, manchmal aber auch ganz leicht anfühlt.
Beim Erlernen einer Entspannungsreaktion konditioniert man sich auf ein Reiz-Reaktions-Muster. Dadurch kommt es zu einer Verminderung der neuronalen wie hormonellen Erregungsbereitschaft und zu einer Modulation zentralnervöser Prozesse. Die sichtbaren physiologischen Kennzeichen sind in Tab. 3 aufgeführt:
Tab. 3 Die physiologischen Kennzeichen von Entspannung
neuromuskuläre Abnahme von Tonus in der Skelettmuskulatur
Veränderungen Verminderung der Reflextätigkeit
kardiovaskuläre periphere Gefäßerweiterung und Senkung des arteriellen Blutdrucks
Veränderungen geringfügige Verlangsamung der Herzrate (Puls)
respiratorische Abnahme der Atemfrequenz, Gleichmäßigkeit der einzelnen Atemzyklen
Veränderungen Abnahme des Sauerstoffverbrauches
elektrodermale Abnahme der Hautleitfähigkeit
Veränderungen Abnahme der Spontanfluktuationen
zentralnervöse Veränderung der hirnelektrischen Aktivität
Veränderungen Veränderung der neuromuskulären Aktivität
weitere Veränderung im Immunsystem (z.B. Killerzellen, Immunglobuline)
Veränderungen Gastrointestinale Veränderungen und Veränderungen der Stoffwechsellage
Der Einsatz von Entspannungsverfahren verfolgt verschiedene Ziele
Ein wichtiges Ziel ist die muskuläre und vegetative Stabilisierung, das Finden einer neuen, gesünderen inneren Balance.
Schon Edmund Jacobson verfolgte mit dem Einsatz der progressiven Muskelrelaxation zunächst vorrangig die Entwicklung eines „Muskelsinns“; also die Verbesserung der Körperwahrnehmung. Die Körperwahrnehmung ist z.B. bei chronischen Schmerzen wie auch in vielen anderen Zusammenhängen bedeutsam. Denn in der Entspannung lassen sich frühzeitig Verspannungen erkennen, lösen und damit einer Schmerverstärkung vorbeugen. Mit Achtsamkeit und gezielter Selbstbeobachtung lässt sich z.B. lernen, das Hochziehen der Schultern, ein Zähne aufeinanderbeißen usw. wahrzunehmen und der Haltung, die den Körper belastet, entgegenzusteuern.
Im Sinn einer besseren Stressbewältigung ist das frühzeitige Erkennen einer Muskel(ver)spannung und das gezielte Entspannen hilfreich; vielleicht lässt sich dadurch sogar auf einen Auslösereiz rückschließen, so dass er vermieden oder verändert werden kann. Schmerz z.B., wie auch andere Auslöser, wirken als Stressor (Auslöser für Stressreaktionen), was mit verschiedensten vegetativen, emotionalen und kognitiven Stressreaktionen einhergeht. Diese zielen auf´s Überleben; durch Flucht, Vermeidung, Aggression oder Erstarrung.
Der Einsatz von Entspannungs- und Gewahrseinstechniken verfolgt außerdem das Ziel, die Selbstwirksamkeitserwartungen zu verbessern. Solche intentionale Kontrollüberzeugungen („Ich kann etwas gegen meine Beschwerden tun.“) sind ein wichtiger Aspekt zum Abbau von Gefühlen der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins, die allgemein schwer zu ertragen sind.
Zudem ist die Beschäftigung mit Entspannung eine wichtige Möglichkeit der bewussten Aufmerksamkeitsverlagerung, ebenso wie der Ablenkung und auch bedeutende Chance zur Selbstberuhigung. Denn Erleben entsteht immer dort, wo die Aufmerksamkeit ist. Beruhigend wirkt in der Regel, was ich kenne, handhaben kann und sinnvoll finde.
Dieser Aspekt wird besonders bei Imaginationen, wie dem Vorstellen eines Ruhebildes oder einer geführten Fantasiereise, verfolgt. Bei Migräne z.B. können kurze Entspannungen im Alltag eine Reizabschirmung ermöglichen, indem der Patient seine Aufmerksamkeit nach innen lenkt und sich damit vor einer Reizüberflutung schützt. Sollte das Training selbst eine Reizüberflutung sein, sollte man es während des Anfalls lassen. Dann aber und darüber hinaus dient die regelmäßige Durchführung eines Entspannungstrainings der Phasenprophylaxe.
Viele Patienten beklagen Ein- oder Durchschlafstörungen, auch hierbei kommen Entspannungsverfahren zum Einsatz. Die Effektivität bei Schlafstörungen ist sowohl für die progressive Muskelrelaxation wie auch für das autogene Training nachgewiesen.
Effektivität
Es ist schwierig, Aussagen über die Wirksamkeit von Entspannungstechniken zu treffen, da die Verfahren in den meisten wissenschaftlichen Arbeiten als Teil eines multimodalen (= mehrgipfeligen; kombinierte Behandlung unter Einbeziehung unterschiedlicher Fachdisziplinen) Therapie-ansatzes untersucht wurden. Zudem sind die Studien kaum vergleichbar, da die Durchführungsformen erhebliche Unterschiede aufweisen.
In keiner Studie war autogenes Training anderen Interventionen überlegen; vor allem aufgrund der längeren Einübungszeiten scheint die Methode gegenüber der progressiven Muskelrelaxation unterlegen.
Die AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.) schlägt in ihren Leitlinien eine Kombination der Verfahren vor.
In der Behandlung von Kindern und Jugendlichen sind Entspannungsverfahren und Biofeedback bei Kopfschmerz, abdominalen Schmerzen und Fibromyalgie wirksam.
Bei Erwachsenen konnte dafür, ebenfalls durch Metaanalyse von Studien, die Wirksamkeit bei Spannungskopfschmerz und Migräne bestätigt werden.
Erste Untersuchungen zur Meditation zeigen, nach einem 8-wöchigen Meditationsprogramm „mindfulness stress reduction“, eine bedeutsame Reduktion der psychologischen Belastung wie auch der körperlichen Symptome, ebenso der Schmerzakzeptanz.
Umsetzung und Praxis
Für die Entspannungsverfahren gibt es prinzipiell keine Kontraindikationen;
Komorbiditäten (Begleiterkrankungen der Grunderkrankung) sollten jedoch beachtet werden.
Während des Übens können starke Unruhegefühle, ein Gefühl des Kontrollverlustes, ein verändertes Körpererleben und sogar Flashbacks (engl. = blitz(artig) zurück; Nachhallerinnerung) auftreten.
Hat jemand recht niedrigen Blutdruck, kann es zum Auftreten von Schwindelgefühlen, bei nicht ordnungsgemäßen Zurücknehmen sogar zum „Schwarz werden vor Augen“, mit der Gefahr des Umfallens und einer Verletzung, kommen.
Bei Tinnitus (lat. = das Klingeln der Ohren), Atemwegs- und Herzerkrankungen oder einem zusätzlichen akuten Schmerz kann das Training, durch die vermehrte Selbstaufmerksamkeit, zunächst sogar erschwert werden.
Während einer Migräneattacke kann es durch die Gefäßerweiterung zu einer Schmerzverstärkung kommen; in diesem Fall empfinden die Patienten einfach Ruhe ohne spezifische Entspannungsinduktionen als wohltuend. Das Training wird aber zwischen den Attacken als Phasenprophylaxe angewandt.
In Tab. 3 sehen Sie praktische Hinweise und Hilfestellungen – hier vor allem auf die progressive Muskelrelaxation bezogen, das am häufigsten verwendete Verfahren. Diese könnten hilfreich sein, um möglicherweise auftretenden Irritationen beim Üben vorzubeugen.
Wo immer Sie sich beim eigenständigen Trainieren unsicher sind, fragen Sie einen Experten.
Tab. 3 Probleme und Hilfestellungen bei der Übung mit progressiver Muskelrelaxation
Mögliche Probleme beim Üben Hilfestellungen
Anspannung löst Verkrampfung aus Dosierung anpassen, z.B. nicht mehr als 30 % anspannen,
(häufig bei Fibromyalgie) evtl. gar nicht anspannen, sondern Anspannung nur vorstellen
Ablenkung Zu Beginn Störquellen abschalten (z.B. Telefonstecker raus,Handy aus, abdunkeln, Schild „Bitte nicht stören“ an die Tür)
starke Schmerzen Als Übungszeit eine Situation wählen, wenn wenig Schmerz besteht oder Medikament anfängt, zu wirken
verstärkte Wahrnehmung von Das ist ein normales Phänomen der Aufmerksamkeitslenkung;
Schmerz oder Unruhe Achtsamkeit immer wieder auf andere Muskelpartien lenken
Ungeduld Auf Trainingscharkter der Übung hinweisen; evtl. nach Sinn dieses Widerstandes suchen
(„Das wirkt nicht bei mir“)
Unruhe, Kontrollverlust, Schwindel Augen öffnen, im Sitzen üben, Hände und Beine beim Üben leicht bewegen
unbequeme Position; Übender kann Bequem lagern, Position immer wieder wechseln
eine Position nicht lange (aus)halten
Geringe Selbstwahrnehmung Entspannungsreaktion als normalen körperlichen Vorgang Erläutern,
(„Ich spüre nichts“) man muss nichts Besonderes dabei wahrnehmen
Übender schläft ein Mit offenen Augen üben, Instruktion innerlich mitsprechen, weniger Anleitungen konsumieren; als Erfolg anerkennen
Ablenkung durch Geräusche, Geräusche als Unterstützung annehmen und die Entspannung verstärken lassen, Gedanken vorbeiziehen lassen,
Gefühle, Gedanken ablenkenden Aspekt „etikettieren“ (= benennen) und zur Übung zurückkehren, immer und immer wieder
Müdigkeit, Aktive Rücknahme, tief durchatmen, Muskelpumpe anregen,
Kreislaufprobleme nach dem Training bewegen, Aufmerksamkeit nach außen, Training im Sitzen
Die progressive Muskelrelaxation erfreut sich bei Schmerzpatienten aufgrund der hohen Plausibilität mit dem direkten Ansatz der Übung an der Muskulatur einer guten Compliance (engl. Befolgung, Einhaltung von Verhaltensmaßregeln).
Allerdings spielt dabei die Modellvermittlung, also die Verständlichkeit und Motivierung eine große Rolle: z.B. ist das Erklären des Teufelskreises: Schmerz > Schonhaltung und Anspannung (zur Schmerzvermeidung) > Schmerzverstärkung > usw. meist sehr hilfreich.
Die dennoch nötige Anspannung beim Üben kann gut über den dadurch ausgelösten Entspannungsreflex, eine Art im Muskel eingebauten Überlastungsschutz, erklärt werden.
Um zu verstehen, warum alle Muskelgruppen (z.B. im Gesicht) entspannt werden sollen, ist es wichtig das Zusammenwirken von Muskelketten (z.B. bei Kaubewegungen vom Kau- und Schläfenmuskel) zu beschreiben, oder besser noch, selbst auszuprobieren.
Viele Patienten bringen sehr hohe Erwartungen mit, setzen sich unter Druck und produzieren so mehr Anspannung als Entspannung. Der Trainingscharakter der Verfahren sollte immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden. (Beim Erlernen vom Klavierspiel fängt man auch mit Fingerübungen an und nicht mit ansprüchlichen Klavierkonzerten.)
Die Wahrnehmung des Entspannungsprozesses kann sehr unterschiedlich sein. Manche Menschen nehmen Wärme, Leichtigkeit, Schwere, Kribbeln und auch ein „Breiterwerden“ der Extremitäten oder gar „Gefühllosigkeit“ wahr. Andere spüren wenig und sind dann schnell enttäuscht. Zur Entlastung der eigenen Anspruchshaltung sollte man sich klar machen, dass Entspannung keine besondere und zudem eine sehr individuelle Körperreaktion ist. Für den Erfolg der Technik, die Sie anwenden, gibt es keine Notwendigkeit einer besonderen Entspannungsempfindung.
Manche Personen haben Konzentrationsprobleme. Sie sind durch ihre Beschwerden, Gefühle, Außengeräusche, Gedanken abgelenkt, schweifen ab und können nur schwer den Instruktionen folgen. Diese Prozesse sind als ein normales Phänomen zu bewerten; denn beim Schließen der Augen und der Konzentration auf interne (innere) Prozesse nehmen wir auch andere Dinge deutlicher wahr. Das Gleiche gilt für die deutlichere Wahrnehmung von Schmerzen oder Unruhegefühlen, die durch die Aufmerksamkeit mehr fokussiert werden können (genauso kann das Gegenteil davon bewirkt werden). Der Übende sollte sich dann einfach nur auffordern, dies geduldig zu registrieren und zum Training zurückkehren.
Wichtig ist: Sie haben nichts falsch gemacht! Sie haben nur etwas wahrgenommen! Sich an dieser Stelle zu ärgern, sich damit wieder mehr anzuspannen, wäre kontraproduktiv. Üben Sie sich in Gelassenheit. Wichtig ist, dass Sie üben; Ihr Körper weiß und tut dann schon das Notwenige, wenn Sie sich nicht mit Ihren Konzepten und Erwartungen dazwischen stellen.
Vergegenwärtigen Sie sich bitte: erst der Moment, in dem Sie etwas registrieren, ist die früheste Möglichkeit, an dem Sie eine Wahl treffen können, welchen Weg Sie nun weiter gehen wollen – den der (weiteren) Ablenkung oder den, Ihren Plan, zu Üben, weiter verfolgen.
Es ist also nicht wie beim >Mensch ärgere Dich nicht<-Spiel, dass Sie neu starten müssen, wenn Sie „hinausgeflogen“ sind, ein Abschweifen bemerken; sie dürfen an dieser Stelle einfach weiter üben. Sie können die Gelegenheit sogar, ganz beruhigt und froh, dass Sie so Aufmerksam waren, dazu nutzen, noch tiefer zu entspannen.
Manchmal sind Vorstellungen hilfreich, wie „die Gedanken sind wie vorbeiziehende Wolken“ oder „Gedanken und Gefühle, wie in einem Fluss, mit dahin schwimmen zu lassen“. Für andere ist es unterstützend, die (störenden) Wahrnehmungen einfach zu „etikettieren“ (z.B. „das ist ein Rasenmäher“, „das ist ein Gedanke“, „mein Magen rumpelt“) und dann zur Übung zurückzukehren.
Prinzipiell kann es bei jeder Form der Entspannung zu unangenehmen Begleiterscheinungen bei der Umschaltung von der ergotropen (der Leistung dienend) zur trophotropen (Aufbau von Reserven dienend) Reaktionslage kommen (Tab. 4). Diese sollten dem Übenden, anfänglich vom Instrukteur, als ein normales Phänomen und ein gutes Zeichen für die Wirkung der Entspannungstechnik rückgemeldet und erklärt werden.
Tab. 4 Begleiterscheinungen der Umschaltung von ergotroper zu trohotroper Reaktionslage
- Zuckungen des Körpers
- Gefühl von Schwere oder Leichtigkeit
- erhöhter Speichelfluss
- Wahrnehmung von innerer Unruhe
- ängstigende Bilder oder Gedanken – oder auch schöne Tagträume
- verzerrte Körperwahrnehmungen
- Schweißausbrüche
- Hitzewallungen, warme Haut, Kribbelgefühle
- Schwindelgefühle
- Stärkere Wahrnehmung von Schmerzen
Ein tägliches Üben ist empfehlenswert, um die neuen neurologischen Muster immer mehr vom bewussten Tun ins automatisierte, unbewusste Verhaltensrepertoire zu überführen.
Zweckmäßig ist es, im Laufe der Zeit, wenn der Übende sein Training in Alltagssituationen, z.B. im Sitzen oder ohne Reiszabschirmung, integriert. Mit zunehmender Übung wird auf verkürzte Einstiegsreize übergegangen. In der Regel ist man schon nach wenigen Wochen in der Lage, eine kürzere Fassung erfolgreich für sich zu nutzen.
Zu Beginn der häuslichen Übungen kann die Unterstützung mit vorgesprochenem Text von einer CD als erleichternd empfunden werden. (Achten Sie bitte beim Kauf einer solchen CD darauf, ob Ihnen die Stimme des Sprechers sympathisch ist, ob Sie sich Ihr anvertrauen können!)
Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass zunehmend auch ohne äußere Instruktionen geübt wird, um den eigenen Rhythmus kennenzulernen und immer mehr dem eigenen Körper zu vertrauen, aber auch um den Transfer in´s eigene Verhaltensrepertoire zu gewährleisten. Hier ist zu bedenken, alles, was auf Medien gespeichert ist, sei es auf CD, im PC oder Telefon, muss sich unser Gehirn nicht merken. Das Gehirn tendiert immer zum geringsten Arbeitsaufwand und verlässt sich dann darauf, dass „eine äußere Instanz“, wie früher ein Elternteil, die Verantwortung übernimmt und alles bereit hält. Zudem besteht die Gefahr der Konditionierung auf die Stimme des Sprechers, so dass bei Bedarf vielleicht nicht auf die eigene Fähigkeit zur Entspannung und zum Gleichmut zurückgegriffen werden kann, da der nötige Auslösereiz daheim im CD-Player liegt.
In Anlehnung an den zertifizierten Fortbildungsartikel: Entspannungsverfahren bei chronischem Schmerz, A. Diezemann, Mainz; Hess. Ärzteblatt 5/2012, S. 300-308
Sehr wesentlich für einen Entspannungsprozess erscheint mir auch die Fähigkeit „Nein“ zu sagen, also der Mut aufzubringen, sich nicht alles gefallen und aufhalsen zu lassen. Dieser wird geboren aus der Fähigkeit, genau hinzuschauen und differenzieren zu können, was man will, wirklich will und auch was einem gut tut und ab wo es zu viel wird, so dass man Grenzen ziehen muss. Wer drüber nicht frei verfügt, kann, bei genauer Betrachtung, auch nicht wirklich „Ja“ sagen. Denn ohne die Möglichkeit einer echten Alternative gibt es keine echte Entscheidung. Eine Pseudoentscheidung verlockt, da, sich entscheiden immer einen Verlust beinhaltet, einen Verzicht auf die Möglichkeiten, die man dann nicht mehr realisiert, realisieren kann und will. Entscheidung hat also immer einen Preis, eine Konsequenz, die es verantwortlich zu tragen gilt. Mit einer Pseudoentscheidung scheint es, als könnte man dieser Verantwortung und Konsequenz entgehen. Nachteil: was nicht ich für mich entscheide, bestimmen andere über mich; auch da muss ich Konsequenzen tragen, obwohl nicht meine.
In diesen Themenkomplex gehören auch die wiederkehrenden Überlegungen: was ist dringend, wichtig, auf Termin zu legen, unsichtig und was gehört in die Ablage „P“, in den Papierkorb?
Ebenso wiederkehrend sollte die eigene Strukturgebung sein, mit der man selbst Herr/Frau seiner Zeit wird. (Tipps zum Thema Zeitmanagement finden Sie bereits auf meiner Internetseite.)
Wir haben nur eine begrenzte Lebenszeit, also sollten wir uns immer mal wieder vor Augen führen, ob wir dieses kostbare, knappe Gut wirklich so einsetzen wollen, wie wir es gerade tun.
Sich Zeit nehmen, Zeit zum (Tag)Träumen und Planen haben, lässt erkennen: „Müßiggang ist die Mutter aller Kreativität“. Gestresst steht uns nur ein sehr eingeschränkter, auf Funktionalität und funktionieren getrimmter, Tunnelblick auf den nächsten Fluchtpunkt oder ein Angriffsziel zur Verfügung. Angst aber ist ein sehr schlechter Ratgeber.
Es ist notwendig, seine Grenzen zu suchen, an sie zu stoßen, um in Kontakt zu kommen, um vielleicht sogar über die Grenzen der eigenen Komfortzone hinaus zu gehen, um sich zu entwickeln, um zu wachsen, um neue Lebensqualitäten zu gestalten.
Immer ist dabei zu bedenken, dass wir biologische Wesen sind, die nur dann existieren können, wenn das Leben pulsiert – sich also spannt und entspannt, auflädt und entlädt, Zeit allein genauso braucht wie Zeit mit anderen usw.
Zu diesem Gedankengang gehört für mich auch die Erkenntnis, dass ein wacher Geist in einem gesunden, bewegten Körper wohnt; dass Sport und andere befriedigende Tätigkeiten genauso wichtig für unser Wohlbefinden sind, wie Wissen, anregende und unterstützende Sozialkontakte.
Fehlt Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder kollegiale Unterstützung, so registrieren wir dies in den gleichen Hirnarealen, in denen wir auch Schmerz wahrnehmen.
Deutlich stärker noch Schmerz verursachend als ungünstige Arbeitshaltung, mangelnde Unterstützung durch Kollegen und körperliche Belastungen wirkt sich mangelnde Unterstützung durch den Chef aus *.
* W. IJzelenberg, MSc, A. Burdorf, PhD, Risk Factors for Musculoskeletal Symptoms and Ensuing Health Care Use and Sick Leave; in: SPINE, Volume 30, Number 13, pp 1550 –1556, 2005, Lippincott Williams & Wilkins Inc.
Solch ein Schmerz, wie auch andere Symptome, die unser Körper zu unserem Schutz entwickelt hat, sollten als kompetente Rückmeldungen zu Korrektur eines bedenklichen, meist sogar schädlichen Pfades, verstanden und genutzt werden.
Immer strebt das System Körper auf einen Balancezustand hin. Dieser ergibt sich, selbstorganisiert, aus den wirkenden Kräften.
Achten wir also darauf, dass es uns gut geht; dass beide Seiten zum Zuge kommen. Wir sind Teil eines großen Kreislaufes, in dem wir das Gute teilen können oder uns eine Hölle bereiten.
Fühlen Sie sich ermuntert, sich auf die pulsierenden Veränderungsprozesse des Lebens einzulassen, Ihren Weg zu gehen, allein und im Kontakt mit anderen.
Entspannen Sie sich, um Kraft und Kreativität zu finden, um unsere Welt aktiv zu gestalten, ein positives Lebensgefühl zu entwickeln und dem „Flow“ (engl. = Fließen, Rinnen, Strömen; bezeichnet das Gefühl der völligen Vertiefung und des Aufgehens in einer Tätigkeit, Funktionslust) zu folgen.