Beschwerdemöglichkeiten

Dieser Text ist gezielt aus dem Artikel „So finden Sie den richtigen Therapeuten“ der Zeitschrift „Stern“ im Heft 51/2006 herausgegriffen, weil ich Ihn besonders wichtig finde – auch wenn er vermutlich eher selten wirklich gebraucht wird. Der Artikel wurde von mir ergänzt und nach meinem Dafürhalten korrigiert.)

Listen der zugelassen Psychotherapeuten, incl. ihrer fachlichen Ausrichtung, stellen Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigung zur Verfügung.

Wenn in der Therapie etwas schief läuft
1. Sprechen Sie Ihren Therapeuten darauf an!
Das sollte immer der erste Schritt sein.
Vertrauen Sie Ihrem Gefühl! Klären Sie eventuelle Missverständnisse! Tun Sie es zeitnah!

2. Sprechen Sie mit anderen, auch mit einem anderen Therapeuten, darüber.
Und wieder: sprechen Sie mit Ihrem Therapeuten darüber.

3. Wenn keine Klärung möglich ist; tun Sie nichts, was Sie nicht wollen.
Niemand wird Ihnen einen Strick daraus drehen, wenn Sie eine Behandlung begründet abbrechen.

Bedenken Sie aber auch, dass es im Behandlungsverlauf zeitweilig schwierige Phasen und z.T. sogar „Rückschritte“ geben kann, bevor das Neue sich durchsetzt; dass es eine „negative therapeutische Reaktion“ gibt – Menschen reagieren auf Verbesserungen negativ. Wenn Sie also denken, es läuft etwas falsch, in die falsche Richtung oder Interventionen des Therapeuten zielen in eine andere Richtung als Sie wollen – sprechen Sie offen darüber!


Was sagt das Befinden des Hilfesuchenden über die Qualität der Hilfe?
„Das es einem Patienten phasenweise auch mal schlechter geht, liegt in der Natur der Psychotherapie“, sagt Frau Kühn-Mengel, selbst Gesprächspsychotherapeutin und Vorsitzende der Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie. „Das darf aber nur eine Phase sein. Nach 5-10 Stunden sollte der Patient merken, dass ihm die Therapie hilft, sonst läuft in der Regel etwas schief.“
„Ein Fehler beginnt dort, wo der Therapeut den Patienten in seinen Fähigkeiten, sein Leben zu gestalten, einschränkt – anstatt sie zu erweitern“, sagt Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer und Professor an der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie am Hamburger Universitätskrankenhaus Eppendorf.
So ähnlich sieht es auch Angela Reschke, Diplompsychologin bei der Hamburger Verbraucherzentrale: „Ein Therapeut macht immer dann einen Fehler, wenn er nicht mehr die Bedürfnisse des Patienten in den Mittelpunkt der Therapie stellt, sondern seine eigenen.“

Das können sexuelle Bedürfnisse sein; die auszuleben ist allerdings kein bloßer Fehler, sondern eine kriminelle Handlung. Oder, was häufiger vorkommt, das Bedürfnis nach Bewunderung und Gehorsam: der Patient als Jünger, der Therapeut ein Guro. Sicherlich ist es ebenso falsch, wenn Therapeuten ihre Methode als die einzig richtige verkaufen oder die Behandlung in die Länge ziehen, weil das Honorar gebraucht wird. Auch nicht in Ordnung ist es, die Behandlung von heute auf morgen abzubrechen oder dem Patienten die eigenen Problemen auf´s Ohr zu drücken,  Patienten für sich arbeiten zu lassen oder sie in einer Gruppe bloß zu stellen.

Keine psychologische Theorie rechtfertigt derartige Übergriffe auf Patienten.

Gelegentlich ist sogar die lange Ausbildung ein Teil des Problems, sagt Angela Reschke: „Ein angehender Therapeut schränkt oft über Jahre seine privaten Beziehungen ein und investiert viel Geld in seine Ausbildung. Wenn dann ein Patient seine teuer bezahlte Kompetenz anzweifelt, können manche damit nicht umgehen.“

Rainer Richter kritisiert zudem die starren Hierarchien in manchen Instituten: „Darüber lernen die Therapeuten einen ganz schrägen Umgang mit Macht – und der findet sich dann später zum Teil auch im Umgang mit Patienten wieder.“
Der Vorsitzende der niedersächsischen Psychotherapeutenkammer, Lothar Wittmann, glaubt eher an die „ganz normale Quote von Gestörten“, bei Psychotherapeuten genauso wie Sie die sie in der Normalbevölkerung auch haben. Das Problem ist: Mit einer narzisstischen (gr. = selbstverliebt) Persönlichkeit können Sie vielleicht noch ein guter Chirurg sein; aber kein guter Psychotherapeut.

Letztlich muss der Patient sich auf seine Wahrnehmung verlassen. Die meisten Patienten merken schnell, wenn mit der Therapie etwas nicht stimmt. – Nur, sie handeln oft nicht danach.“

„Der Patient soll ja gerade seine Selbstschutzmechanismen reduzieren, damit er auch an schmerzhafte Inhalte seiner Geschichte herankommt“, sagt Veronika Hillebrand, Ärztin für Psychotherapeutische Medizin in München, die einen Beratungsverein „Ethik in der Psychotherapie“ gegründet hat.

„Die therapeutische Beziehung ist nicht Beiwerk – sie ist der Hauptwirkstoff, der heilen soll.

Wenn dann ein Patient ausgerechnet durch die Vertrauensperson Therapeut verletzt wird, kann ihn das re-traumatisieren.“ So geschwächt, schaffen es viele Patienten nicht, zu gehen. Sie suchen die Schuld für das Scheitern der Therapie nur bei sich und schämen sich sogar vor Freunden, darüber zu sprechen.
Allerdings gehören derartige Re-inszenierungen, also spontane und induzierte Szenen, die  frühere (Kindheits)Erfahrungen wiederholen auch in den Rahmen einer ganz normalen, funktionierenden Therapie. Es  sind erwünschte, weil Verständnis bringende Wiederholungen von Verhaltensmustern zur weiteren Bearbeitung.
Für einen „gesunden“ Verlauf Ihrer Behandlung spricht, dass diese Dinge dort frei aufgegriffen, besprochen und verstanden werden können und von kurzer Dauer sind. Solche Krisen helfen, sich über unbewusstes, also bisher nur implizit (lat. = als Anlage vorhanden, z.B. im Körpergedächtnis), aber nicht als aktiv Gewusstes, bewusst zu werden. Sie helfen alte Verletzungen zu heilen.“

Dauern Störungen in der Patient-Therapeut-Beziehung länger an und/oder der Therapeut verhindert eine Aussprache darüber, stimmt etwas nicht.

Selbst wenn der Patient vielleicht zu der destruktiven Beziehung beiträgt – „die Verantwortung für einen Fehler liegt immer beim Therapeuten“ (ebenso wie damals, als wir Kinder waren, die Verantwortung bei den Erwachsenen lag), stellt der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer Richter klar.

„Der Patient darf so schwierig sein, wie er mag. Um damit professionell umzugehen, wird der Psychotherapeut schließlich bezahlt.“ Zudem sollte er dafür ausgebildet sein oder/und sich kollegiale Hilfe und Supervision holen.

Kühn-Mengel fordert sogar, dass die Therapeuten selbst den Patienten vorab, z.B. mit einem Faltblatt, – einer Art Beipackzettel für Psychotherapien – über Therapie und Nebenwirkungen informieren.

Ich habe diese Idee aufgegriffen und unter der Überschrift „Risikoaufklärung Psychotherapie“ auf eine extra Seite meiner Homepage gestellt.

In jedem Fall gilt der Rat aus psychoanalytischen Kuren auch heute noch:

Um negativen Folgen vorzubeugen, sollten Sie möglichst während der Therapie keine weitreichenden Entscheidungen treffen – oder diese zumindest mit Ihrem Therapeuten zuvor besprechen.
Denn es gilt zu klären, ob Ihre Entscheidung, im Zusammenhang mit dem Therapieprozess, möglicherweise symbolisch (gr. = eine Idee veranschaulichen) zu verstehen ist und sich auf eine ganz andere Situation bezieht und ob nicht besser / sinnvollerweise ganz andere Schlussfolgerungen abgeleitet werden sollten, als sie Ihnen offensichtlich erscheinen.

Wo Sie sich beschweren können – und was dann geschieht

Wenn Sie trotz aller Aufklärung und Gespräche mit Ihrem Therapeuten unzufrieden mit der Arbeit sind, können Sie sich an die Landesärztekammer (für ärztliche Therapeuten) oder an die Beschwerdestelle der Landespsychotherapeutenkammer (für psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jungendpsychotherapeuten) wenden.
Die Kammern prüfen, ob ein Fehler vorliegt.
Viele Kammern haben eine eigene Schlichtungsstelle.

Bei leichteren Vergehen können sie ein Rüge aussprechen oder eine Geldstrafe verhängen. Schwerere Vergehen behandeln die Berufungsgerichte (Höchststrafe: Berufsverbot) oder die Verfahren werden an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.

Es ist ratsam, den Gang zur Kammer gut vorzubereiten, etwa durch ein Gespräch mit der Verbraucherzentrale oder der Patientenbeauftragten der Bundesregregierung. Auch viele Krankenkassen unterhalten Beschwerdestellen. Hier sollten Sie darauf achten, dass Ihr Ansprechpartner psychologisch qualifiziert ist.

Internetadressen & Telefonnummern (siehe auch „Hilfreiche Links„):
Bundesärztekammer: www.bundesaerztekammer.de, Tel: 030/4004560
Bundespsychotherapeutenkammer: www.bundespsychotherapeutenkammer.org, Tel: 030/2787850
Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten: www.bvvp.de, Tel: 0761/7910245
Die Patientenbeauftragte der Bundesregierung: www.patientenbeauftragte.de, Tel: 030/184413420
Verbraucherzentrale Hamburg: www.vzhh.de, Tel: 040/248320
Verein „Ethik und Psychotherapie“: www.bvvp-bayern.de, Tel: 089/7470488

Übrigens: Die Kassen bezahlen bei einem Behandlungsfehler eine neue Therapie; aber auch sonst ist ein Therapeutenwechsel möglich – er muss nur begründet werden und die neu Behandlung muss vom neuen Therapeuten neu beantragt werden.

„Möge Dir Dein Weg immer freundlich entgegenkommen.“ (Irischer Reisesegen)



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