Stressmanagement

Stress (= engl: Druck, Belastung, Spannung; von lat: stringere = anspannen)

Immer wieder wird das Wort Stress von Leuten im Munde geführt, ohne dass wirklich klar ist, um was es da eigentlich geht – so scheint es mir jedenfalls.
Wer lesen und klar denken kann, ist da klar im Vorteil
gerade bei der Bewältigung von Herausforderungen.

Stress ist eigentlich eine Notfallreaktion des Körpers, um in Gefahrensituationen höchst wach und (muskulär) stark zu sein.

Auch im Alltag brauchen Menschen ein gewisses Maß an Aktivierung; wenn das allerdings als Stress empfunden wird oder wirkt, dann sollte es aber nicht zu viel davon sein und, vor allem, er nicht zu lange anhaltend.
– Zum einen aktiviert Stress zwar, macht wach und stark; er macht allerdings auch (messbar) doof.
Letzteres, weil der Körper in Situationen, die er als bedrohlich empfindet, alles auf Flucht oder Kampf ausrichtet; kreative Hirnleistungen kosten da zu viel Zeit, stören, reflexhaftes, schnelles reagieren ist jetzt angesagt!
– Zum anderen wirkt zu heftiger / zu lange einwirkender Stress erschöpfend und macht krank, zum Teil sogar schwer krank.

In Situationen, die man als stressig, also als bedrohlich / gefährlich einordnet, ist es daher ganz wesentlich, zu unterscheiden, ob es sich um eine reale oder fiktive Bedrohung handelt – bildlich gesprochen: ob es im Fernseher brennt oder ob der Fernseher brennt: einmal können Sie sitzen bleiben und den Film in Ruhe weiter ansehen, in der zweiten Situation sollten Sie wirklich schnell rennen und die Feuerwehr rufen.
Für stressige Situationen gilt also vor allem: >sich kurz Zeit verschaffen<, um differenziert denken zu können, da man sonst in einer Art „Tunnelblick auf den Fluchtpunkt hin“ gefangen ist und automatisiert, reflexgesteuert reagiert.

Begriffe, was beschreiben sie?
Stress ist eine uralte
, schon früh in der Evolutionsgeschichte entstandene, Überlebensstrategie:
sie befähigt uns in der Auseinandersetzung mit akuten Belastungssituation (dazu zählen echte Gefahren und Bedrohungen, dazu können jedoch auch Herausforderungen und neue Situationen gezählt werden) besondere Kräfte zu mobilisieren.
Allgemein führen Reize von Außen, wie auch Bedürfnisse in unserem Inneren, zu  Reaktionen, die ihrerseits entweder zur Anpassung von Organismen an ihre Umwelt bzw. zur (Um-)Gestaltung der Umwelt führen. Piaget (1896-1980) hat diese Vorgänge mit Assimilation (= Veränderung und Anpassung der Umwelt an die eigenen Schemata) und Akkomodation (= Veränderung und Anpassung der eigenen Schemata an die Umwelt) als wichtigste Prinzipien von Entwicklung beschrieben.
Der Psychosomatiker Thure von Uexküll beschrieb das 1998 in „Theorie der Humanmedizin“ als Funktionskreis, betonte Wechselwirkung als allgemeines Prinzip, während Ursache-Wirkungsbeschreibungen eine verkürzte Sichtweise erzeugt.

Besonders schnell reagieren wir auf alles, was wir als bedrohlich einschätzen. Das war zum Überleben viel wichtiger, als all die schönen Dinge und die, die gut funktioniert haben – obwohl die viel häufiger vorkommen.
Da im Gehirn emotional aufregende Situationen mehr Eindruck hinterlassen, werden viele schöne Erlebnisse als selbstverständlich genommen und sind daher in unserer Erinnerung weniger präsentiert – was oft wirkt, als seien sie gar nicht da. Damit fehlt im Bewusstsein häufig ein balancierendes Gegengewicht zu Bedrohung und Angst, so dass Aggression als Schutzreaktion schneller aufgerufen wird, als wohlwollende Gelassenheit.

Alles eine Frage der Balance: es gilt im Leben also fortlaufend das jeweils für Jetzt zu mir passende Maß zu finden (z.B. zwischen Neugier und Angst; Angst und Hoffnung, Risiko und Sicherheit; Herausforderung und Belastung; Anpassung und Abgrenzung): Zu schnell wird sonst aus einem „Richtung weisen“ ein Anspruch, ein Soll-Wert, ein „Muss“, ein verpflichtendes Ziel, statt ein „Kann“, ein mögliches Ziel.
Damit wird der Anspruch ein Stressor, ein Stress-Auslöser, ein Gefahrenanzeiger.
Wird vergessen, dass zwischen dem jetzigen Ist-Zustand und dem anvisierten Soll-Zustand ein Weg und eine Anstrengung liegt; wird also angenommen, man müsste sofort da sein, wenn das Bedürfnis auftaucht, hat man ein Problem – ein virtuelles zwar, aber ein wirksames, das als Bedrohung erlebt wird, so als sei man noch ein Kleinstkind, das die Zeit nicht kennt, nicht warten kann und zu verhungern droht.
Heutzutage sind viele Auslöser für Stressreaktionen irrational, d.h. es droht jetzt keine echte Gefahr für Leib und Leben, und doch werden durch die Situation irgendwo im Unbewussten Erinnerungsspuren an gefährliches aktiviert – z.B. können Spinnen giftig sein (archaische, ererbte Erinnerung), sie sind es hierzulande, heutzutage jedoch nicht. Dennoch reagieren manche Menschen, also ob immer noch Gefahr von den Tieren ausgehen würde.

Früher, noch lange bevor es Menschen gab, lebten unsere Vorfahren, die den Stressmachanismus „erfunden“ haben, immer in der Gefahr gefressen zu werden. Davor soll die Alarmreaktion Stress schützen.
Das hat bei unseren Vorfahren offensichtlich so gut funktioniert, dass dieser Reaktionsmechanismus über all die Zeit beibehalten und an die Nachkommen weitergegeben wurde. Jedenfalls haben es unsere Vorfahren bis ins fortpflanzungsfähige Alter geschafft, sonst gäbe es uns gar nicht.
Die mit weniger erfolgreichen Überlebensstrategien wurden im Laufe der Zeit ausgemendelt und starben aus. (Johann Mendel (1822-1884) Entdecker der Vererbungsregeln)

Die relativ unspezifische Auslöser (Fieber, ebenso wie Spinne, Löwe oder Kollege, Telefon, Straßenlärm usw.) können als Bedrohung gedeuteten werden, so dass wir auf alle möglichen Bilder mit Stressreaktionen reagieren. Diese läuft automatisch und ohne unser Wollen ab.
Die Auswirkungen dauern dann so lange an, bis die ausgeschütteten Stresshormone abgebaut und wieder aus dem Blut verschwunden sind.
Die ablaufenden Reaktionen im Körper folgen immer dem gleichen „Strickmuster“, das uns körperlich für Flucht fit macht (oder im Vorfeld Vermeidung anrät) – oder, wenn der Konfrontation nicht auszuweichen ist, auf Aggression und Kampf schaltet, – oder, wenn´s ganz schlimm für uns aussieht, uns in Erstarrung fallen lässt (Schockstarre) – weil das früher beim Fressfeind oft eine Beißhemmung ausgelöst hat, die uns vielleicht doch noch die Möglichkeit verschaffen konnte, abzuhauen.
Mehr dazu später.

Ähnliche Aktivierungen wie beim Stress begleiten vermutlich jede Handlung unseres Lebens. Denn ein bestimmtes Maß an Stimulation ist lebensnotwendig. Man nennt das Eu-Stress (eu = gr: wohl, gut, schön + Stress); wobei Eu-Stress immer nur die kurzzeitig wirkende Lebensrettung und -bewältigung sein kann. Ansonsten gibt es keinen „guten Stress“, mit dem man sein selbstschädigendes Handeln rechtfertigen könnte!
Erfahren wir hingegen zu wenig Anregung oder zuviel Stimulation ist das beides schädlich. Im ersten Fall spricht man von Deprivation (lat: Mangel, Verlust, Entzug von etwas Erwünschtem) oder im zweiten Fall von Dis-Stress (dis = grich: doppel- + Stress) und meint damit chronisch anhaltende Belastungen, die den Körper in die Erschöpfung und Depression treiben, da es zu keiner Lösung kommt.

Der Begriff  „Stress“ wurde zuerst 1936 von dem Zoologen Hans Selye aus der Physik (Zug oder Druck auf ein Material, der zur Materialermüdung führt) entlehnt, um die „unspezifische Reaktion des Körpers auf jegliche Anforderung“ zu beschreiben.
Walter Cannon beschrieb schon 1914 und 1932 eine „Notfallreaktion“ des Körpers; nach diesem Modell reagiert der Körper blitzartig durch die Herstellung einer „Flucht- oder Angriffsbereitschaft“.
1966 fügte Lazarus zusätzliche persönliche Bewertungsebenen in das Stressmodell ein. Er konnte nachweisen, dass Stress durch Einstellungen und Erfahrungen beeinflussbar ist.

Mit dem Wort „Stress“ beschreiben wir heute die durch spezifische Reize (Stressoren) hervorgerufenen psychische (grich: seelisch) und physische (grich: körperlich) Reaktionen bei Tieren und Menschen, die einerseits zur Bewältigung besonderer Anforderungen befähigen und andererseits die dadurch möglicherweise entstehenden körperlichen und geistigen Belastungen.
Denn die ursprüngliche Schutzreaktion kann, bei besonderer Intensität eines Ereignisses oder bei übermäßig lang anhaltender Dauer stressender Reize, selbst zum schädigenden Agens (lat: das Antreibende, Wirkende) werden, also zur treibenden Kraft, durch die Organe des Körpers geschädigt werden können.

Begrifflich ist zu unterscheiden zwischen:
Stressor = Stressauslöser = der einen Stress erzeugende Reiz /Stimulus
Stressreaktion
= die Antwort des Organismus auf den Stressor.
Stress = körperlich-seelischer Zustand der besonderen Leistungsfähigkeit, manchmal Belastung, evtl. Überlastung

Reiz, Stimulus, Stressor, Stressauslöser kann alles und jedes sein, wenn der Organismus es für bedeutsam und bedrohlich hält:
z.B. schädigende Umwelteinflüsse: Lärm, schrille Schreie, Kälte, Hitze, Strahlen, Gewalt, usw.; toxische Substanzen wie Zigarettenrauch und andere Gifte, Dorgen oder Chemikalien; auch alle Hemmnisse auf dem Weg zur Bedürfnisbefriedigung, Verbote, bestimmte Einstellungen, Erwartungshaltungen, Befürchtungen, Motivationen (lat: Beweggründe); innere und äußere Konflikt; seelische und/oder körperliche Belastungen, wie z.B. Unter- wie Überforderungen, zu wenig / zu viel Verantwortung; Langeweile; Angst nicht zu genügen; Schichtarbeit; Reizüberflutung, Schlaflosigkeit; Leistungsdruck, aber auch Arbeitslosigkeit; fehlende Gestaltungsmöglichkeiten; Mobbing, soziale Isolation; Sorgen, Armut, Zeit- oder Nahrungsmangel; Krankheiten und Schmerzen; Tod eines nahen Angehörigen oder andere lebensgeschichtlich belastende Erfahrungen; sogar irrationale, eingebildete und unrealistische Gefahren, usw. usw. können Auslösereiz sein. Es genügt sogar, allein die Vorstellung und Erwartung davon zu haben.
Es gibt Stressoren, die allgemeingültig vorkommen und solche die
unspezifisch (nicht charakteristisch) jeden Organismus in Alarm versetzen.
Andere Stimuli sind ganz individuell und spezifisch (lat: kennzeichnend), vom jeweiligen Erfahrungshorizont des Betreffenden abhängig.

Jeder Wahrnehmung eines Reizes folgt (meist unbewusst) eine Orientierungs- und Anpassungsreaktion sowie eine Deutung / Bedeutungs-gebung. In den neuronalen Netzwerken wird sofort nach Ähnlichkeiten und Bekanntem gesucht, aus dem Zukunftserwartungen hochgerechnet und dann Verhaltensantworten auf das konstruierte Wirklichkeitsangebote entwickelt werden.
Die Stressreaktion ermöglicht dem Köper dabei sehr reaktionsschnell und energievoll auf eine erwartete (Gefahren)Situation zu reagieren.
Solche Lösungsangebote, die früher schon funktioniert haben, können in Standardsituationen sehr hilfreich sein, schaffen aber bei der Bewältigung neuer Situationen eher Probleme.

Heutzutage sind wir Menschen hierzulande selten in Gefahr, gefressen zu werden; dafür umgeben uns viele unspezifischen Stressoren (z.B. Straßenlärm oder Arbeitsbelastung), die den Körper ständig in Handlungsbereitschaft versetzen.
Folgt dann (z.B. auf Straßenlärm als Gefahrenreiz) keine ausreichende Abreaktion, also Bewegung und Verbrauch der mobilisierten Energie (weil ich z.B. gerade nicht am Straßenverkehr teilnehme, sondern am Schreibtisch sitze), wächst das Erregungsniveau im Körper an.
Nachgewiesen wurde, dass auf jede Anspannungsphase, mit der sich der Körper darauf vorbereitet, einer Gefahr zu entgehen, eine Entspannungsphase folgen muss.
Nur bei ausreichender Erholung kann eine gesunde Balance zwischen Ruhe / Regeneration und Erregung, gefolgt von Bewegung und Katharsis  (griech: Reinigung) – und damit eine gleichbleibendes Niveau von Reaktionsfähigkeit gehalten werden. Andernfalls kommt es zu Erschöpfungszuständen und Schädigungen in den Systemen, die sich nicht ausreichend erholen können.
Wenn also Reize in so kurzen Abständen erfolgen, dass dem Körper keine Erholungspausen bleiben und/oder sich das Erregungsniveau so hoch aufschaukelt, dass die zur Bewältigung des Problems bereitgestellte Energie nicht vollständig abgearbeitet werden kann, bleibt die Anspannung (auch das ist Arbeit und verbraucht Energie) im Organismus bestehen. Ein Übermaß davon nehmen wir als Angst (angustus = lat: Enge, Beklemmung) oder Verspannung und Schmerz (Folge z.B. von zu lange angespannter Muskulatur) war.
Diese Symptome sind also kompetente Rückmeldungen an unser Bewusstsein, dass etwas nicht OK ist, dass es Veränderung braucht!
Wird der angespannte, blockierte Zustand chronisch, wird diese Haltung nach einer Weile als neuer „Normalzustand“ gelernt. Der Körper adaptiert (lat: Anpassung) sich, Gewöhnung tritt ein. Das hat den Vorteil, dass der Schmerz aufhört und die Angst verdrängt werden kann. Es hat jedoch den Nachteil, dass das falsche, krankmachende Muster in den betroffenen Muskeln immer wieder hergestellt und auf die Gefahrenmeldung des Körpers nicht mehr reagiert wird.
Dann nimmt die Schädigung zu, ohne dass es gespürt wird. So auch, wenn durch den Gebrauch von Schmerzmitteln der Schmerz, die „Stop – Schone mich“-Meldung z.B. eines entzündeten Gelenkes, betäubt wird.

Was passiert nun genau im Körper bei der Stressreaktion?
– hier immer noch in vereinfachter Weise dargestellt –

Wird vom Zentralnervensystem einen Reiz als Stressor interpretiert, wird der Organismus in erhöhte Alarm- und Handlungsbereitschaft versetzt; Energie wird mobilisiert und der Körper auf Flucht oder Kampf eingestellt.
Hormone (Adrenalin, Noradrenalin, Cortisol) werden als Botenstoffe in das Blut ausgeschüttet und der Sympathikus (der auf Aktivität gerichtet Teil unseres vegetativen (lat: nicht dem Willen unterliegend) Nervensystems) wird aktiviert; während der die Eingeweide versorgende Parasympathikus  (der auf Ruhe, Regeneration und Reproduktion gerichtete Teil des vegetativen Nervensystems) derweil gehemmt wird.
Diese Aktivierung bewirkt im Organismus, dass mehr Energie produziert wird, um kurzfristig (!)  leistungsfähiger zu sein.

Es werden Kraftstoffe mobilisiert, Insulin wird ausgeschütet, um die Glucose in die Zellen zu transportieren; mit verstärkter Atmung „wird in das Stoffwechselfeuer geblasen“, so dass die entstehende Energieträger (wie ATP) mit dem Blut an die Abnehmer gebracht werden; der Blutfluss wird umorganisiert, Gebiete die viel Energie verbrauchen (u.a. Gehirn und Verdauungstrakt) werden minderdurchblutet, dafür die für Flucht oder Kampf benötigte Muskulatur stärker versorgt; Puls und Blutdruck steigen, ebenso Wachheit, Aufmerksamkeit und Entscheidungsfreude. Nach kurzer Zeit lässt die gesteigerte Konzentrationsfähigkeit wieder nach, der Blick bleibt noch eine Weile tunnelartig auf einen Fluchtpunkt ausgerichtet, währenddessen das kreative Denken weitgehend ausgesetzt ist.
Diese Bewegungen im Körper führen (zum Teil) zu spürbaren Veränderungen, die in der Körperwahrnehmung auftauchen. Dieses andere Körpererleben kann dann wiederum beunruhigen, weil es ja auf eine Notfallsituationen hinweist – sei sie nur real oder nur vorgestellt. So kann sich ein Teufelskreis entwickeln, der das Geschehen anheizt und das emotionale Erleben eskalieren lässt, bis hin zur panischen Angst.
(Wir kennen die Macht der Bilder z.B. aus Träumen, in denen Gedanken ganz wirklich und realistisch erscheinende Szenen, Gefühle und körperliche Reaktionen erleben lassen,  obwohl wir schlafend da liegen.)

Die Alarmreaktion selbst ist (kurzzeitig) völlig unschädlich und zur Gefahrenabwehr sogar sehr erwünscht und willkommen:

kurzfristig verstärkte Zuckerfreisetzung (Glukose) und Erhöhung von Cholesterin und Fett (insbes. Triglyceride) im Blut
– das sind die Rohstoffe, aus denen die Energie erzeugt wird
– Bedürfnis nach Süßem
– führt bei langanhaltendem, chronischen Stress zu Gefäßschädigungen
Verstärkte Atmung
– vermehrtes Luft holen, zum Anblasen des „Stoffwechselfeuers“
– Sauerstoff ist der andere Rohstoff zum Energie erzeugen
– Gefühl der Luftnot; führt z.T. zur Hyperventilation (grich.-lat: übermäßige Steigerung der Atmung), das kann Schwindel- und Kribbelgefühle hervorrufen, evtl. sogar zu Verkrampfungen in ängstlich angespannten Muskelgruppen führen
Beschleunigung von Puls und Blutdruckerhöhung
– verbesserte Durchblutung und Blutflusslenkung,
– um die Energie dorthin zu bringen, wo sie nun zum Überleben dringend gebraucht wird
– Herzrasen, Pulswahrnehmung im Hals, Druckgefühl im Kopf, Unruhe
Vermehrte Muskeldurchblutung
– für verbesserte Beweglichkeit, verbessert Chancen bei Flucht oder Angriff
– Anspannung, Globusgefühl im Hals, „weiche Knie“, Zittern = Energieabbau
– durch Muskelarbeit (Energieverbrauch) kommt es zur Körpererwärmung
zudem
Vermehrte Hautdurchblutung und vermehrtes Schwitzen
– Hitzewallungen (Lampenfieber), rot anlaufen (Drohgebärde, Oberflächenvergrößerung)
– um den Organismus zu kühlen (Verdunstungskälte)
– kaltschweißiges Gefühl auf der Haut, „frieren“, Gänsehaut
Verminderte Blutzufuhr zu den inneren Organen
– Drosselung aller im Alarmzustand „unnötigen“ Stoffwechselvorgänge
– flaue Gefühle in der Magengegend, Übelkeit, z.T. Durchfall und Harndrang (vielen von Prüfungsängsten bekannt)
Verminderte Blutzufuhr zum Großhirn
– die relativ langsam Reizverarbeitung im Großhirn wird zurückgedrängt, zugunsten automatisierter Reaktionen, die weniger Strom verbrauchen
– die genaue Bestimmung der Gefahr ist akut (meist) nicht nötig; schematische Entscheidungsmuster niederer Hirnregionen werden aufgerufen;
die Reaktion erfolgt damit rascher – wenn auch mit größeren Fehlerquoten
– Schwindelgefühle, Konzentrationsstörungen, „blackout“ in Prüfungen, kreative Alternativlösungen werden nicht gesehen
Verminderte Schmerzwahrnehmung
– kurzfristig ein Schutz, damit das Wesentliche bei der Abwehr einer Gefahr nicht aus dem Auge verloren wird; Hauptsache überleben –
um Verletzungen kann man sich später kümmern
– langfristig gefährlich, da ein wichtiges Meldesystem von Gefahren und innerem Ungleichgewicht außer Kraft gesetzt ist
Aktivierung des Immunsystems
– kurzfristig besserer Schutz
– langfristig werden die Abwehrkräfte des Körpers geschwächt, häufigere Infekte sind eine Folge

Zu den schon genannten Symptomen kommen Schreck, Angst manchmal Panikgefühle; es können (in Extremfällen) auch Symptome wie Bewusstseinsverlust oder Stupor (lat: völlige geistige und körperliche Regungslosigkeit), sogar Schocktod vorkommen.

Dauert der Stress zu lange an, kommt es zu Hyperglykämie (zu viel Zucker im Blut; Diabetes), Hypertonie (Bluthochdruck; Gefahr von Infarkten, Blutungen), Abbau von Muskeleiweiß (Schwäche), Nervenzelltod, Verdauungsbeschwerden (u.a. Magengeschwüre), Immunschwäche (vermehrtem Auftreten von Infekten und Krebs), psychogenem Zwergwuchs, Libidoverlust, Amenorrhoe (ausbleiben der Monatsblutung bei Frauen), Impotenz.

Selye unterscheidet folglich drei Phasen bei Stress:
In der ersten Phase, der Alarmreaktion, lassen sich die oben beschriebenen charakteristischen (grich.-lat: sich wiederholender, typischer, vorhersehbarer Wesenszug), vorübergehenden, funktionellen (lat: Veränderung, bei der nur die Funktion eines Organs gestört ist, dieses aber nicht selbst krankhaft verändert ist) Störungen beobachten.
All diese Symptome (einzeln oder miteinander auftretend) gelten dennoch als unspezifische Zeichen, weil sie auch im Anfangsstadium vieler Infektionskrankheiten und anderer Störungen des Systems gefunden werden und daher über die spezifische Natur einer Krankheit nichts sagen.

Selye: „Man muss einen Menschen sehr gut kennen, um zu wissen, was für ihn Stress auslösen kann und was nicht!“
Will man Stress als auslösende Belastung in die Interpretation einer Symptomatik oder Krankheit mit einbeziehen, kommt man nicht umhin, die Bedeutung des Reizes in einer Lebenssituation zu ergründen. Denn seine Wertigkeit als Schlüsselreiz (wenn es sich nicht um ein toxisches (giftiges) Agnes handelt) bekommt der Stressor erst aus den bisherigen lebensgeschichtlichen Erfahrungen des Betroffenen und seiner Interpretation.

Nur das Herausfinden des schädigenden Umwelteinflusses, der zugehörigen Reaktionsbereitschaft des betroffenen Menschen, inklusive der Entschlüsselung seiner Entwicklungsdefizite oder inneren Konflikte kann zur Lösung führen.
Symptome fordern dazu auf, (weiter) nach der (wahren) Lösung zu suchen.

Am Anfang jeder Reiz-Reaktions-Kette steht immer ein Bedürfnis, ein Soll-Ist-Konflikt, ein Anpassungsdruck (z.B. zu überleben), der nur zur Ruhe kommt, wenn eine echte Lösung gefunden wird.
Scheinlösungen erscheinen (vordergründig und kurzfristig betrachtet) zwar brauchbar, sind es aber nicht wirklich: sie wirken nur in unserer Vorstellung (inneren Wirklichkeit); die äußere Realität wird aber nicht (zumindest nicht langfristig und tiefgründig) verändert und so bleibt der Konflikt oder zumindest ein Teilkonflikt bestehen und wirkt (im Untergrund, unbewusst) weiter, um irgendwann einer echten Lösung / Bedürfnisbefriedigung näher zu kommen. Daher bilden sich immer neue Symptome, es kommt zu Symptomverschiebungen, die letztlich als Ressource zur Heilung verstanden werden sollten.

Wird die akute, erste Phase überstanden, folgt die zweite Phase, die Adaptation (lat.: Anpassung) oder Resistenz (lat: Gegenwehr, Widerstandsfähigkeit eines Lebewesens gegen schädliche Einflüsse der Umwelt) und Resilienz (lat: abprallen; psychische Widerstandsfähigkeit).
Die anfänglichen Symptome der Alarmreaktion verschwinden.
– Der Organismus lernt die (innere oder äußere) Umgebung an die (veränderte) Situation anzupassen.

Bleibt die Einwirkung der Stressoren jedoch bestehen, kommt es schließlich zu einer dritten Phase, der Erschöpfung des Systems.
– Der Organismus hat seine Anpassungsreserven verbraucht.
– Adaptationskrankheiten entstehen; sie sind die Folge ungesunder Anpassungsleistungen an ungesunde Umstände

Als Adaptationskrankheiten ,also durch Fehlanpassungen hervorgerufen, gelten: z.B. Bluthochdruck, „Rheumatismus“ (grich.-lat: fließende Scherzen), Asthma, allergische Reaktionen, Herz- und Nierenschäden; aber auch nervöse Erschöpfung, ängstlich gespannte Verstimmungszustände mit vegetativen Funktionsstörungen bis hin zur depressiven Niedergeschlagenheit in der Folge.
Adaptationskrankheiten sind nicht mehr nur Funktionsstörungen (von denen sich der Körper noch vollständig erholen kann), sondern  echte organische Schädigungen, die vom Körper selbst eingeleitet oder verschlimmert sind.

Hierbei finden sich leider auch Reaktionen auf „an sich“ nur potentielle (= lat: mögliche, denkbare) und befürchtete schädliche Einwirkungen (Hypochondrie). Aus (fast) „nichts“ wird „etwas“; insbesondere, wenn nicht verstanden wurde, dass der Organismus Entspannung in dem Maße benötigt, wie er Spannungen aufbaut (Wechselwirkung). Die Symptome sind Folge eines inneren und/oder äußeren Ungleichgewichts, auf das sie hinweisen.

Ein wichtiger Punkt in der Therapie von gestressten Menschen ist daher Differenzierungsfähigkeit, also das Vermögen echte von eingebildeten Gefahren unterscheiden und sich entspannen zu lernen oder auch Anspannungen aggressiv (lat: jemanden angreifen, auf jemanden zugehen) abzuführen, ohne jemanden dabei zu schädigen.
Das heißt in vielen Fällen: den Mut aufzubringen, sich seinen Ängsten zu stellen und etwas auszuprobieren, von dem der Verstand sagt, es ist OK: das Risiko ist kalkulierbar, während das Gefühl alles dagegen setzt, um unser Leben zu retten. Es git dann mutiges zu tun, obwohl einem nicht mutig zumute ist.
In der Verhaltenstherapie wird das Expositionsbehandlung genannt.
Der Tiefenpsychologe Pseschkian sagt: „Wenn Du etwas haben wisst, das Du noch nie hattest, musst Du etwas tun, was Du noch nie getan hast!“
Das heißt in einer Therapie z.B., sich seinem Begleiter/Therapeuten anzuvertrauen, sich auf sein Urteil, seine Fachkenntnis und Erfahrung zu verlassen – und wieder ist Differenzierungsfähigkeit gefragt:
Fragen werfen sich auf, die helfen könnten, klarer zu sehen:
Wem traue ich? Was traue ich den anderen zu? Was traue ich mir zu?
Wo sind meine Grenzen? Verlasse ich meine Komfortzone?
Kann ich mir vorstellen, die Folgen meines Handelns zu tragen und die Kosten für meine Entwicklung zu übernehmen?
Ist das gerade jetzt für mich sinnvoll und notwendig?
Was ist mir mein Ziel wert?
Bin ich bereit, die Gebiete des mir vertrauten zu verlassen?
Ich kann mir bewusst machen: Das Leben ist nicht ohne Risiko. Selbst die vertrauten Wege sind nicht ohne Gefahr. Was könnte (bei abgewogenem Risiko) auf neuen Wegen wirklich schlimmeres passieren?
Was ist meine Sehnsucht, meine Hoffnung?
Was ist (gleichzeitig) meine größte Angst?
Woher kommt sie? Wovor schützt sie mich?
Was würde ich tun, wenn ich (jetzt) keine Angst hätte?
Was kommt (in meiner Phantasie), wenn ich die Grenze überschritten habe?
Was ist (nur) in meiner Vorstellung, was ist real da draußen?

Verstehen lindert das Gefühl der Unsicherheit; wesentlich ist es jedoch, sich seinem Gefühl zu stellen.
Da es jedoch mein Gefühl ist, erzeuge ich es selbst. Ich habe also Einfluss darauf – deutlich mehr Einfluss, als auf die Situation da draußen, die ich am liebsten vermeiden würde, weil ich mich ihr gegenüber Ohnmächtig konstruiere (lat: con = zusammen mit + struere = bauen).

Hilfreich in der Stressbewältigung sind z.B.

  • Autogenes Training
  • Biofeedback, Neurofeedback
  • progressive Muskelrelaxation
  • MBSR „mindfullness based stress reduction“ (= engl: auf Achtsamkeit beruhende Stressreduktion)
  • ausreichender Schlaf zur rechten Zeit
  • Verinnerlichung von problem- bzw. emotionsorientierten Bewältigungsformen, z.B. Wahrnehmungslenkung, aktive Vermeidung bestimmter Antwortmuster, positive Selbstinduktion, Trancereisen und Selbstwirksamkeitserfahrungen
  • Meditation
  • Professionelle psychotherapeutische Problemlöseansätze

Zum Schluss noch ein paar typische Reaktionen bei Stress und zur Spannungsabfuhr im verschiedenen Lebensaltern

1.–5. Jahr Daumenlutschen, Bettnässen, Dunkelangst, Angst vor Tieren, Klammern, Nachtangst, Verlust der Darm- und/oder Blasenkontrolle, Verstopfung, Stottern / Stammeln, Appetitlosigkeit oder Heißhunger

5.–11. Jahr Irritiert sein, Jammern, Klammern, Aggressivität, Geschwisterrivalität, Alpträume, Dunkelangst, Schulangst, Interesselosigkeit, sozialer Rückzug von Gleichaltrigen, Konzentrationsstörungen

11.–14. Jahr Schlafstörungen, Essstörungen, Rebellion daheim, Schulprobleme, wie Schlägereien, Tagträumen, Interesselosigkeit, Mittelpunktstreben, mangelndes Interesse an Aktivitäten Gleichaltriger, psychische Probleme wie z.B. Kopfschmerzen, undefinierbare Schmerzen, Hautprobleme, Verdauungsprobleme und andere psychosomatische Beschwerden

14 –18. Jahr psychosomatische Beschwerden, Störungen des Appetits und Schlafes, hypochondrische Reaktionen, Durchfall / Verstopfung, Störungen der Menstruation, Steigerung oder Senkung des Energielevels, Interesselosigkeit am anderen Geschlecht, Abnahme von Durchsetzungskämpfen mit Eltern und Autoritätspersonen, Konzentrationsmangel

Erwachsenenalter

Gefühle: Traurigkeit, Ärger, Schuldgefühle, Vorwürfe, Angst, Verlassenheit, Müdigkeit, Hilflosigkeit, Schock, Jammern, Taubheit, Leere, Hoffnungslosigkeit, Deprivation, Demütigung, Erleichterung

Kognition (lat: Entwicklung all der Funktionen, die zum Wahrnehmen z.B. eines Gegenstandes oder zum Wissen über ihn beitragen): Ungläubigkeit, Verwirrung, Vorurteile, angestrengte Konzentration, Halluzinationen, Depersonalisation

körperliche Wahrnehmungen: Übelkeit, Enge in der Kehle und Brust, Übersensibilität, Atemnot, Muskelschwäche, Mangel an Energie, trockener Mund

Verhalten: Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Geistesabwesenheit, Seufzen, Aktivismus, Weinen, sozialer Rückzug, Träume über das Ereignis, Vermeidung von Nähe zu Tatort oder ähnlichen Situationen, Hüten von „Schätzen“

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