Gesundheitsförderung und Krankheitsprophylaxe im Betrieb
Nach der Wirtschaftskrise 2008 beschäftigte sich das Hessische Ärzteblatt mit den Belastungen in der Berufswelt.
So entstand dieser Artikel in Anlehnung an: Deutschlands Arbeitnehmer im Stress: Bei zu viel Druck streikt die Seele – Krise und Angst um den Job bedrohen psychische Gesundheit, von Dr. Wolfgang Panter, Hessisches Ärzteblatt, 9/2009, S. 593-595
Häufig ist festzustellen, dass Gespräche über belastende Themen am Arbeitsplatz Tabu sind; insbesondere im Zusammenhang und Umgang mit psychischen Erkrankungen bestehen noch immer Stigmatisierungen. Hinzu kommt, gerade bei Männern, die Angst, Schwäche zu zeigen.
Dabei sind Symptome häufig Kompromissbildungen, Hinweise auf ungenutzte Ressourcen und (oft wenig taugliche) Heilungsversuche in krankmachenden Bedingungen; also wichtige Hinweise auf notwendige Veränderungen, die am Arbeitsplatz oft auch anderen mit zugute kommen.
Zum Wohl der Mitarbeiter und des Unternehmens muss in Betrieben also offen über Risikofaktoren und Unternehmenskultur geredet werden.
Grundsätzlich hat sich seit der Veröffentlichung des Artikels wenig geändert. Der arbeitsbedingte Stress verschärft sich in Deutschland: Globalisierung, betriebliche Umstrukturierungen, Arbeitsverdichtung, Geldsorgen, Arbeitszeitdiskussionen, kurze Arbeitsverträge, Fachkräftemangel, dünne Personaldecken, permanente Erreichbarkeit, Zwang zu schnellen Entscheidungen, hohe Verantwortung, Leistungsdruck, Doppel-, z.T. Dreifachbeschäftigungen, Notwendigkeit zum Doppelverdienst, frühes Abgeben der Kinder in die Tagespflege, erhöhter Konkurrenzdruck, Mobbing, Bossing wie sonstige zwischenmenschliche Probleme, die auch privat immer häufiger zu instabilen Verhältnissen und broken homes führen, bilden den Boden für eine chronische Überforderungen, die langfristig die psychische Gesundheit bedrohen.
Ärzte werden immer häufiger mit den gesundheitlichen Auswirkungen von psychischen und physischen Fehlbelastungen konfrontiert und spüren, dass Handlungsbedarf besteht: für die einzelnen Menschen, wie für Unternehmen und Volkswirtschaft.
Geschätzte 15 Milliarden Euro Schaden entstehen der Volkswirtschaft alljährlich alleine durch Arbeitsausfall und eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter aufgrund psychischer Erkrankungen. Kranke Mitarbeiter verursachen also nicht nur dem Gesundheitssystem hohe Kosten.
Es lohnt sich für Unternehmen also, in betriebliche Gesundheitsförderung und Prävention zu investieren.
Stress und seine Folgen stellen aktuell die vierthäufigste Krankheitsursache am Arbeitsplatz dar – mit stark zunehmender Tendenz. In der Ursachenstatistik für Erwerbsunfähigkeit stehen psychische Erkrankungen sogar auf Platz 1, noch vor Muskel- und Skelettsystemerkrankungen.
Die Palette der Erkrankungen durch andauernde psychische Fehlbelastungen, so wissen wir aus der Psychosomatik, reicht von chronischer Ermüdung, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Nervosität und Gereiztheit über Rückenschmerzen, Ängste, Bluthochdruck und anderen Herz-Kreislauf-Beschwerden, Suchterkrankungen, Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, Diabetes bis hin zu chronifizierten Symptomen, wie depressiver Verstimmungen oder Psychose.
Sicher ist, dass der Job oft einer der ganz großen Stressfaktoren ist. Daneben führen das tägliche „vor Augen führen“, also in die unmittelbare Nähe bringen, von Negativnachrichten zu irrationalen Befürchtungen und Erwartungen; und auch die gesamtgesellschaftlichen Veränderungen lösen bei vielen zusätzlichen Stress in der Freizeit aus.
Es gelingt den Menschen immer schlechter abzuschalten und eine innere Distanz zu schaffen, um sich zu erholen und zu regenerieren. Wenn Menschen dann zudem in ihrem Privatleben nicht aufgefangen werden, spüren sie die Anstrengungen im Berufsleben mehr und werden stärker davon beeinflusst – um so eher streikt die Seele.
Die Ansicht, dass die Work-Life-Balance stimmen sollte; ein Zustand, in dem Arbeits- und Privatleben miteinander in Einklang stehen, ist weit verbreitet und wird von herausragender Bedeutung für den Erhalt der psychischen Gesundheit angesehen.
Das stimmt, wenn, wie bei der Idee der Work-Life-Balance, davon ausgegangen wird, dass (Berufs-)Arbeit („work“) etwas anderes sei als Leben und abseits vom Leben („life“) passiere. Das impliziert, dass man beruflich nicht das tut, was einen begeistert, oder, man in einer Position arbeitet, die einen unter- oder überfordert, oder, dass die Sinnhaftigkeit des Tuns nicht mehr gesehen wird, oder, eigene Ziele nicht mehr verfolgt werden können. Wenn dem so ist, stimmt etwas ganz und gar nicht!
Sinnvollerweise zeigen dann (nach einer Weile, in der man kompensieren konnte) irgendwelche Symptome die unterschwelligen oder offenen Konflikte an und spitzen sich zu Krisen zu.
Darauf gilt es sensibel, frühzeitig und unterstützend zu reagieren (die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ist hier angesprochen). Denn ohne Hinschauen und Zuhören, Annehmen und Verstehen lässt sich kaum eine passende Antwort / Lösung finden.
In keinem Fall sollten, weder wirtschaftliche noch private Krisen dazu missbraucht werden, die Gesundheit der Beschäftigten auf Spiel zu setzten.
Ganz im Gegenteil: >Arbeiten bis zum Anschlag< muss als Motto zur Krisenbewältigung geächtet werden (führte in Japan schon zu vielen Todesfällen)! Wir sind Menschen, also biologische und keine technischen Systeme; wir brauchen Phasen der Regeneration – und das zeitnah! Denn Erholung lässt sich nicht speichern.
Ständig „unter Strom“ zu stehen, ist eine Zeit lang auszuhalten – jeder Beschäftigte hat da unterschiedliche Bewältigungsstrategien. Doch dauerhaft wirkt es sich über kurz oder lang negativ auf das psychische Gleichgewicht und die Leistungsfähigkeit aus. Daher ist bei vielen somatischen Erkrankungen eine wesentliche Mitursache auch in der Psyche zu finden. Das wird bislang nicht ausreichend ernst genommen!
Insbesondere in kleinen und mittleren Betrieben sinkt sogar das Niveau des Gesundheitsschutzes. Unbehandelt aber können die psychisch bedingten Krankheiten zu längeren Ausfallzeiten im Unternehmen führen und damit alle teuer zu stehen kommen.
Ziel von Investitionen in die Gesunderhaltung von Mitarbeitern muss es also sein, statt nachträglicher Krankheitsreparatur frühzeitig, je nach Persönlichkeit, Gesprächsangebote und Bewältigungsmöglichkeiten anzubieten, wie z.B. Autogenes Training oder Sportangebote als seelischen und körperlichen Ausgleich zur Arbeit, flexible Arbeitszeiten und Selbstorganisations- und Bildungsmöglichkeiten.
Durch eine gute persönliche Vorsorge können viele gesundheitliche Schäden bereits im Vorfeld verhindert werden. Zur Früherkennung lassen sich auch arbeits-medizinische Vorsorgeuntersuchungen nutzen.
Der VDBW hat bereits 2008 einen Leitfaden „Psychische Gesundheit im Betrieb“ entwickelt, über den Betriebsärzten und Personalverantwortliche wertvolle Hinweise zu diesem Themenbereich erhalten können.
Darüber hinaus gehören ganz allgemein folgende Faktoren dazu, zum Wohlbefinden aller im Betrieb beizutragen:
Eine Unternehmenskultur mit fairem, transparentem Führungsstil, einer Haltung von Kooperation und grundsätzlichem Wohlwollen, einer Kultur der Anerkennung und Wertschätzung gegenüber jedermann, eine passungsorientierte Arbeitsorganisation, die Menschen weder unter- noch überfordert, humane Arbeitszeiten und eine verlässliche, als angemessen empfundene Vergütung (das funktioniert sogar in einigen Organisationen über Selbsteinschätzung).
Eine Unternehmensführung, die sich ausschließlich an sachlichen betriebswirtschaftlichen Kennziffern orientiert und Menschen zu Kostenstellen degradiert, agiert einseitig und kurzfristig.
Ausreichende Handlungsspielräume, ein ausgewogenes Verhältnis von Leistungsanforderung und Kompetenz sowie angemessene soziale Unterstützung sind zusätzliche Rahmenbedingungen zur Vermeidung und Bewältigung von psychischen Belastungen. Weitere positive Beanspruchungen sind Erfolgserlebnisse, Persönlichkeitsentwicklung, Trainings-, Lern- und Übungseffekte.
Daher hat ein gesundes Betriebsklima auch unmittelbare Auswirkungen auf die Gesundheit der Mitarbeiter.
Zu Workshops zum Thema, zu Informations- und Übungsangeboten, Mediations- und Gesprächsangeboten für Mitarbeiter und Führungskräfte dürfen Sie mir gerne eine Mail schreiben, um einen Termin zu vereinbaren. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.